notifications
Deutschland

Baerbock: Kein Ende der Aufarbeitung

Aussenministerin Annalena Baerbock hat Polen für die Unterstützung bei der deutschen Wiedervereinigung gedankt und an die Regierung in Warschau appelliert, die partnerschaftliche Zusammenarbeit zu bewahren. Die Wiedervereinigung sei "nicht denkbar ohne die mutigen Polinnen und Polen, die entschlossen für Freiheit und echte demokratische Mitbestimmung gestreikt, gestritten und demonstriert haben", erklärte die Grünen-Politikerin am Montag vor ihrem Abflug zu einem Besuch in der polnischen Hauptstadt Warschau.
Bild: Keystone/dpa/Christoph Soeder

Hintergrund für Baerbocks Äusserungen dürften die lautstarken Reparationsforderungen sowie eine Verschärfung des Tonfalls der nationalkonservativen polnischen PiS-Regierung gegenüber der Bundesregierung sein. Der 3. Oktober erinnert an die deutsche Vereinigung 1990, knapp ein Jahr nach der friedlichen Revolution in der DDR im Herbst 1989.

"Als Partner in einem gemeinsamen Europa haben wir die Chance, unsere Zukunft zum Wohl unserer Kinder zu gestalten", erklärte Baerbock. "Wir haben aber auch die Verantwortung, das Vertrauen, das wir über die letzten dreissig Jahre gemeinsam aufgebaut haben, zu bewahren." Die Ministerin unterstrich: "Dazu gehört, dass Aufarbeitung und Erinnerung an das unermessliche Leid, das Deutschland über die Menschen in Polen gebracht hat, deshalb wichtige Aufgaben auch für unsere und für die folgenden Generationen bleiben – hier kann und wird es keinen Schlussstrich geben."

Baerbock wollte am Abend bei den Feierlichkeiten der Deutschen Botschaft eine Rede halten. Am Dienstagmorgen trifft sie ihren polnischen Kollegen Zbigniew Rau im dortigen Aussenministerium. Anschliessend wird die Ministerin an Teilen des Programms des Warschauer Sicherheitsforums teilnehmen. Unter anderem will Baerbock an einer Diskussion zur Lage im Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine und dessen Folgen teilnehmen.

Die von Rau unmittelbar vor Baerbocks Besuch unterzeichnete diplomatische Note über die Reparationsforderungen seines Landes an Deutschland erwähnte die Ministerin in ihrem Abflugstatement nicht. Rau hatte erklärt, die Note "bringt die Überzeugung des polnischen Aussenministers zum Ausdruck, dass die Parteien unverzüglich Schritte zu einer dauerhaften, umfassenden und endgültigen rechtlichen und materiellen Regelung der Folgen der deutschen Aggression und Besatzung von 1939 bis 1945 einleiten sollten".

Zum 83. Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkriegs am 1. September hatte eine Parlamentskommission in Warschau ein Gutachten vorgelegt, in dem die Weltkriegs-Schäden in Polen auf mehr als 1,3 Billionen Euro beziffert werden. Die Bundesregierung lehnt die Forderung nach Reparationen ab. Sie beruft sich dabei auf den Zwei-plus-Vier-Vertrag von 1990 über die aussenpolitischen Folgen der deutschen Einheit. Der Chef der nationalkonservativen Regierungspartei PiS, Jaroslaw Kaczynski, verschärfte den Ton gegenüber Deutschland kurz vor dem Besuch. Er hielt der Bundesregierung am Sonntag vor, sie strebe eine "deutsche Vorherrschaft" in der EU an. (sda/dpa)