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Schweiz

Am Limit wegen hoher Prämienlast – die Geschichte des Luzerners Beat Erni

Fast jeder vierte Bürger erhält in der Schweiz eine Prämienverbilligung. Aber nicht jeder mit einem tiefen Einkommen profitiert von der staatlichen Unterstützung. Der Luzerner Beat Erni verdient weniger als 30 000 Franken im Jahr und bekommt nichts.
Beat Erni verdient wenig, erhält aber keine Prämienverbilligung. (Bild: Manuela Jans-Koch, Schachen, 22. Februar 2019)

Barbara Inglin

Personen in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen erhalten eine Prämienverbilligung. So steht es im Gesetz, genauer in ­Artikel 65 des Krankenversicherungsgesetzes (KVG). Beat Erni aus Schachen im Kanton Luzern kann darob nur den Kopf schütteln. Pro Jahr verdient er netto rund 28 000 Franken. Bescheiden ist sein Einkommen damit allemal. Prämienverbilligung erhält der 61-Jährige trotzdem keine. Erst vor kurzem hat er vom Kanton einmal mehr eine abschlägige Antwort erhalten. Anspruch hätte er erst ab einem Nettoeinkommen von 26 378 Franken.

Beat Erni versteht das nicht, er ärgert sich gewaltig. Vor allem über die Politiker, die «weit weg vom Leben der realen Leute ihre Sparmassnahmen beschliessen». Darum legt er seine Daten offen. «Diese Theoretiker hinter ihren Schreibtischen sollen ruhig einmal sehen, was es heisst, mit wenig Geld auszukommen.» Er will aufzeigen, dass nicht nur Familien mit einer hohen Prämienlast zu kämpfen haben. Alleinstehende wie er würden diskriminiert, nur spreche darüber niemand. Erni verlor vor neun Jahren nach zwei Rückoperationen seinen Job als Platzwart, eine neue Stelle zu finden war schwierig. Heute erledigt er in einem 20-Prozent-Pensum Unterhaltsarbeiten in einer Sonderschule. Daneben arbeitet er im Stundenlohn als Fahrer für Schüler verschiedener Sonderschulen. Im Schnitt verdient er pro Monat etwas über 2000 Franken. In den Sommerferien, wenn die Schultransporteinsätze wegfallen, ist es deutlich weniger.

15 Prozent für Prämien

Erni wohnt günstig, zur Miete bei zwei Geschwistern, die das Elternhaus in Schachen übernommen haben. Für die Kranken­kasse gibt er monatlich rund 350 Franken aus, das sind etwa 15 Prozent seines Einkommens. Wohnen, Prämien und Steuern belasten sein Konto mit gegen 1000 Franken pro Monat. Viel bleibt da nicht zum Leben. In die Ferien wolle er ohnehin nicht, sagt Erni. Und auch teure Hobbys sind nicht sein Ding. Am liebsten werkelt er in seiner Freizeit am und im Haus, am Auto oder der 44 Meter langen Carrera-Auto­rennbahn im Keller. Klar würde er auch gerne wieder einmal ein Spiel des FC Luzern im Stadion mitverfolgen. «Aber was soll’s», sagt Erni angesichts seiner finanziellen Lage und zuckt mit den Schultern. Um die Steuerrechnung zu begleichen, musste Erni auch schon seine Pensionskasse anzapfen. Auch wenn während des Sommers das Geld wieder einmal knapp wird, greift er auf die 2. Säule zurück – Geld, das ihm nach der Pensionierung fehlen wird. «Das versteht keiner», sagt Beat Erni, «dass ich unter diesen Voraussetzungen keine Prämienverbilligung bekomme.»

Kantone verfehlen Vorgabe

Tatsächlich haben die Kantone bei der Festlegung der Prämienverbilligungen einen Spielraum. Gemäss Bundesrat sollte eigentlich kein Haushalt mehr als 8 Prozent des steuerbaren Einkommens für die Grundversicherung ausgeben. Die meisten Kantone sind aber weit von dieser Vorgabe entfernt. Nur Zug liegt mit einem Mittelwert von 7 Prozent darunter. Beim Spitzenreiter Baselland beträgt die Prämienlast – nach Abzug der individuellen Prämienverbilligung – immer noch 18 Prozent. Schweizweit liegt sie bei 14 Prozent. Auch bei der Höhe der gewährten Verbilligungen gibt es grosse kantonale Unterschiede. Schweizweit sind es im Mittel 2653 Franken. Graubünden und Zug zeigen sich mit durchschnittlich 4909 respektive 4676 Franken grosszügig. Am tiefsten sind die Auszahlungen im Wallis (974 Franken) und in Appenzell Innerrhoden (558 Franken).

Kantone und Bund greifen für die Prämienverbilligungen zwar immer tiefer in die Tasche, 2017 gaben sie 4,5 Milliarden Franken aus. Gleichzeitig steigen aber auch die Prämienkosten. Die Zahl der Empfänger stagniert bei rund 2,2 Millionen Personen.

Mehrere Kantone haben zuletzt den Sparhebel bei den Prämienverbilligungen angesetzt. Nachdem das Bundesgericht Anfang Jahr den Sparentscheid der Luzerner Regierung gekippt hat, muss der Kanton noch einmal über die Bücher. Ab 2017 hatte er nur noch Familien mit einem Nettoeinkommen bis 54 000 Franken Prämienverbilligungen für Kinder und junge Erwach­sene gewährt. Vorher lag die Schwelle bei 75 000 Franken. Nun muss der Kanton den betroffenen Versicherten 25 Millionen Franken überweisen.

Alleinstehende und Ehepaare ohne Kinder sind von der Änderung allerdings nicht betroffen. Für Beat Erni bleibt damit alles beim Alten.