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Schweiz - EU

30 Jahre nach EWR-Nein: Europafreunde fordern «ehrliche Debatte»

Zwischen der EU und der Schweiz herrscht Eiszeit. Eine neue Umfrage zeigt nun, dass sich Schweizerinnen und Schweizer eine stabile Beziehung zu Europa wünschen. Das wird auch an der «Albisgüetli»-Tagung zu reden geben.

Christoph Blocher bei einer Kundgebung 1992 gegen den EWR-Beitritt. Nun fordert die Europäische Bewegung eine Neuauflage der Abstimmung.
Bild: Keystone

Die Beziehungen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union (EU) verharren derzeit auf dem Status «es ist kompliziert». Seit der Bundesrat das Rahmenabkommen vor gut anderthalb Jahren beerdigt hat, kommen die Gespräche mit der EU nicht voran. Zumindest offiziell gibt es keine Fortschritte. Nebst bilateralem Knorz bleibt damit etwa der Zugang zu vielen europäischen Projekten für die Schweiz versperrt. Die Europäische Bewegung Schweiz (EBS) will raus aus dieser Sackgasse. Der Lösungsvorschlag der Europafreunde: Der Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR).

Vor ziemlich genau 30 Jahren hat das Schweizer Stimmvolk diesen an der Urne zwar mit 50,3 Prozent abgelehnt – es war einer der emotionalsten Abstimmungskämpfe in der Schweizer Geschichte. Heute würde die Abstimmung vom 6. Dezember 1992 jedoch wohl anders ausfallen. Dies zumindest legt eine am Freitagvormittag publizierte Umfrage von gfs.bern nahe.

Demnach könnten sich 71 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer in den nächsten Jahren einen EWR-Beitritt vorstellen. Deutlich bleibt laut der im Auftrag der Europäischen Bewegung Schweiz durchgeführten Umfrage die Ablehnung eines Beitritts zur EU: 65 Prozent aller Befragten lehnen diesen entschlossen oder eher ab.

Auch Blocher will sich äussern

Am Freitagabend wird Pro Schweiz zur traditionellen «Albisgüetli»-Tagung einladen. Titel der Veranstaltung der Nachfolgeorganisation der Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz (Auns): «1992: Schicksalsjahr für die schweizerische Unabhängigkeit.» Laut Programm wird sich auch alt Bundesrat Christoph Blocher in einer Rede zu seinem zwar knappen, aber für das Verhältnis Schweiz - EU entscheidenden Abstimmungssieg äussern.

Kommende Woche will dann die Plattform Schweiz-Europa einen breit abgestützten «Aufruf zum Handeln» an den Bundesrat präsentieren. Diesen haben knapp 200 Personen sowie 80 Organisationen aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur, Religion und der Zivilgesellschaft unterzeichnet. Der Verein will pro-europäische Kräfte vernetzen und arbeitet auch mit der Europäischen Bewegung Schweiz zusammen.

«Unser Land braucht Lösungen»

Wie die am Freitag publizierte gfs-Umfrage im Auftrag der EBS zeigt, wünsch sich inzwischen jedoch eine grosse Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer «stabile Beziehungen» zur EU. Die Europäische Bewegung sieht die Ergebnisse denn auch als Zeichen dafür, dass Schweizerinnen und Schweizer «bereit sind für eine weitreichende europäische Integration». Dabei sei eine Teilnahme der Schweiz am EWR «eine glaubwürdige Option, die in der Bevölkerung breite Akzeptanz.»

Eine «ehrliche Debatte» fordert die Europäische Bewegung darum vom Bundesrat. Die Landesregierung müsse dieser «die Option des Europäischen Wirtschaftsraums wieder aufgreifen oder eine alternative Lösung vorschlagen, die ein ähnliches oder höheres europäisches Integrationsniveau bietet.» Weiter fordert die EBS die Veröffentlichung «des langersehnten» Europa-Berichts der Regierung. «Unser Land braucht konkrete Lösungen, um schnell aus der Sackgasse herauszukommen und der jungen Generation eine europäische Perspektive zu garantieren», ist sich die Gruppe der Schweizer Europafreunde sicher.

Europa-Initiative läuft ebenfalls

Die Europäische Bewegung Schweiz hat bereits im August angekündigt, dass sie dem EU-Dossier neues Leben einhauchen will . Sie will mit der nun publizierten Studie den Druck auf den Bundesrat über den parlamentarischen Weg erhöhen. Über einen Bundesbeschluss – ein Beschluss der Bundesversammlung ohne rechtssetzende Wirkung – hat sie einen Lösungsansatz erarbeitet. Konkret will sie den Bundesrat dazu bringen, «die EU umgehend um die Aufnahme von Verhandlungen zu ersuchen», wie Eric Nussbaumer gegenüber CH Media sagte.

Die Operation Libero und Grüne dagegen wollen den Druck auf Bundesrat und Parlament mit ihrer sogenannten Europa-Initiative erhöhen . Diese stellten sie Ende August vor. Die Initiative soll dem Parlament aber vorerst lediglich als Leitfaden für ein allfälliges Europagesetz dienen. Die Allianz setzt damit auf eine parlamentarische Initiative, welche auf die Aussenpolitische Kommission des Nationalrats zurück geht.

Die Idee eines erneuten EWR-Beitritts ist übrigens auch nicht ganz neu. Entsprechende Forderungen wurden bereits mehrfach im Parlament verhandelt. In der vergangenen Frühlingssession etwa hat der Nationalrat eine Postulat angenommen, das vom Bundesrat einen Bericht fordert, der auch die Option einer Mitgliedschaft der Schweiz im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) erneut prüfen soll. (mg/dpo/sat)