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Schweiz

Gemeinde Arth unterstellte italienischem Einbürgerungskandidaten Straftaten, die er gar nicht begangen hat

Die Schweizermacher in der Gemeinde Arth sind grimmig wie ein Wolf.
(Karikatur: Silvan Wegmann)

Kari Kälin

Dass der einzige Monarch in der Schweiz der Schwingerkönig ist, wusste der Italiener. Die Einbürgerungsbehörde der Gemeinde Arth Goldau notierte aber bei neun von 20 Fragen zu den schweizerischen und lokalen Verhältnissen: «Weiss nicht» oder «kenne ich nicht». Vier Antworten taxierte sie als unvollständig.

Schliesslich schmetterte sie das Einbürgerungsgesuch des 51-Jährigen selbstständigen Unternehmers ab – unter anderem, weil er nicht wusste, dass im Tierpark Goldau Bär und Wolf im gleichen Gehege leben. Das Bundesgericht hat jetzt die Einbürgerung angeordnet. Es taxierte die Ablehnung als willkürlich, Spitzfindigkeiten hätten in einem Einbürgerungsverfahren nichts zu suchen.

Die Geschichte aus dem Kanton Schwyz hört sich absurd an – und ruft prompt Komiker auf den Plan. «Welcher Schweizer Bürger hätte die Frage auf Anhieb ohne 50:50-Joker korrekt beantwortet?! Ich jedenfalls nicht – werde ich deshalb ausgebürgert?», fragte Sergio Sardella, Comedian mit Wurzeln in Italien, auf Instagram.

Weitere Recherchen unserer Zeitung zur Anhörung vom Juni 2016 zeigen: Nebst Detailfragen (wie heisst das neu eröffnete Altersheim in Arth?) rieben die Schweizermacher dem Gipser und Glacéproduzenten unter die Nase, sie hätten keine Referenzen über Arbeiten in Arth gefunden – worauf der zweifache Familienvater aber diverse Projekte nannte, darunter Arbeiten am Polizeigebäude.

Irritiert habe sich die Einbürgerungsbehörde auch über die Tatsache gezeigt, so berichtet es die Gattin des Italieners, dass ihr Mann viele Aufträge von ausserhalb der Gemeinde und des Kantons ausführe. Schliesslich sah sich der Kandidat mit dem Vorwurf konfrontiert, er pflege zu wenig intensiven Kontakt zu Schweizern.

Das Bundesgericht konterte, es widerspreche jeglicher Lebenserfahrung, dass der Italiener, der seit 2001 ein Gipsergeschäft führe, keine Kontakte zu Einheimischen unterhalte.

Den Kandidaten zu Unrecht einer Straftat beschuldigt

Dass der Einbürgerungskandidat die erste Strophe der Schweizer Hymne nicht kannte, anstatt Alphorn «Schwyzerhorn» sagte, ihm der Begriff «Ländler» fremd und das gemeinsame Gehege für Bär und Wolf nicht bewusst war, mag Stoff für eine Satire auf Kosten der Arther Einbürgerungsbehörde liefern. Weniger lustig ist die Tatsache, dass das Verfahren von Anfang an unter einem schlechten Stern stand.

Die Schweizermacher am Zugersee agierten quasi grimmig wie ein Wolf. Das offenbart ein Blick in die Urteile des Bundesgerichts zum Schwyzer Verwaltungsgericht, das sich vorgängig mit dem Fall befasste.

Ursprünglich wollte sich die ganze Familie einbürgern lassen. Der ältere Sohn zog seinen Antrag zurück, nachdem er im Staatskundetest gescheitert war. Die Einbürgerungsbehörde lehnte nicht nur die Gesuche des Vaters, sondern auch jene der Ehefrau und des jüngeren Sohns ab. Den Ehemann zeigte sie rund einen Monat nach der ominösen Anhörung sogar wegen Förderung des illegalen Aufenthalts an.

Der Hintergrund: Er vermietete einem Italiener ein Zimmer. Die Arther Behörden witterten darin ein Scheindomizil. Die Staatsanwaltschaft Innerschwyz fand jedoch keine Hinweise auf illegale Machenschaften und nahm keine Ermittlungen auf. Das kümmerte die Einbürgerungsbehörde nicht. Sie qualifizierte die Nichtanhandnahme der Staatsanwaltschaft kurzum als falsch.

Ebenso warf sie dem Italiener Steuerhinterziehung vor, weil er eine Liegenschaft in Kalabrien nicht korrekt deklariert habe. Die Steuerverwaltung des Kantons Schwyz leitete indes kein Strafverfahren gegen ihn ein. Der Einbürgerungskandidat hatte die Liegenschaft auch nicht verschwiegen.

Vorwürfe lösen sich in Luft auf

Der Ehefrau warf die Einbürgerungsbehörde Verfehlungen beim vorübergehenden Bezug von Arbeitslosengeldern vor. Sie habe die Beteiligung an den Firmen ihres Mannes nicht korrekt deklariert. Das Amt für Arbeit entkräftete auch diesen Einwand und attestierte der Ehefrau überdies, sie sei bei der Stellensuche unkompliziert und nicht wählerisch gewesen. Die Vorwürfe gegen das Ehepaar lösten sich allesamt in Luft auf; beide weisen einen tadellosen Leumund vor.

Zu diesem Schluss kam auch das Verwaltungsgericht Schwyz. Es hiess die Beschwerde des Ehepaars teilweise gut und wies die Einbürgerungsbehörde an, das Einbürgerungsverfahren der Ehefrau und des minderjährigen Sohns wiederaufzunehmen. Das Geschäft ist immer noch hängig, auch die Ehefrau ist noch immer nicht im Besitz des roten Passes.

Den Test über die schweizerischen und lokalen Verhältnisse bestand sie übrigens. Sie wusste, dass das neulich eröffnete Altersheim in Arth «Chriesigarte» heisst, definierte anders als ihr Mann den Begriff «Röstigraben» richtig und stolperte nicht über die Bären- und Wolffrage.

Gemeindepräsident kritisiert Bundesgericht

Das Schwyzer Verwaltungsgericht stellte hingegen fest, die Gemeinde habe dem Ehemann den roten Pass zurecht verweigert wegen des lückenhaften Wissens über die örtlichen Begebenheiten. Das Bundesgericht fand es indes unhaltbar, das Bürgerrecht wegen dieses «höchstens geringen Mankos» zu verwehren. Alle anderen Voraussetzungen erfülle der Mann.

Wenig erfreut über die «dicke Post» aus Lausanne zeigte sich derweil der Arther Gemeindepräsident Ruedi Beeler, der damals als Präsident der Einbürgerungsbehörde die Befragung durchführte. Das Bundesgericht führe diese regelrecht vor, dabei habe das Verwaltungsgericht die Einschätzung über die mangelnden örtlichen und kulturellen Verhältnisse gestützt.