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Schweiz [News Service]

SVP empfiehlt eigenen Bundesrichter zur Abwahl – der bedauert «Schaden für die Institution»

Die SVP-Fraktion empfiehlt dem Parlament, ihren Bundesrichter Yves Donzallaz abzuwählen. Dies, weil sich dessen Werthaltungen von jener der Partei «fundamental» unterscheide. Nun reagiert der Kritisierte.
Die SVP-Fraktion im Bundeshaus empfiehlt ihren Bundesrichter Yves Donzallaz zur Abwahl – ausser dieser verlässt bis zur Wahl die Partei. (Alessandro Della Valle / Keystone)

(sat) Fraktionspräsident Thomas Aeschi hatte den eigenen Bundesrichter vor den ordentlichen Erneuerungswahlen in der laufenden Herbstsession für den Dienstag zur «Anhörung» eingeladen. Wie die Partei im Anschluss an die Fraktionssitzung mitteilte, fand ein «informatives» Gespräch statt. Nach einer «konstruktiven Diskussion» habe die Fraktion entschieden, der Vereinigten Bundesversammlung in zwei Wochen die Nichtwiederwahl von Bundesrichter Yves Donzallaz als Mitglied der SVP zu beantragen. Sollte der Walliser vor dem Wahltermin jedoch aus der Partei austreten, werde die Fraktion ihn als parteilosen Bundesrichter unterstützen. Die Gerichtskommission des Parlaments empfiehlt alle Bundesrichter zur Wiederwahl.

Noch am Dienstag nahm auch der kritisierte Bundesrichter Stellung. In einem von der NZZ online publizierten Interview sagt Yves Donzallaz, es sei «natürlich unangenehm, dass ich mich in einer solchen Situation wiederfinde, obwohl ich mich mit meiner ganzen Kraft und mit meinem Wissen für das Amt eingesetzt habe». Besonders hart sei dies auch für sein Umfeld. Aber in dieser Auseinandersetzung stehe nicht er als Person im Vordergrund: «Schwerwiegender ist der Schaden für die Institution. Es wird Spuren hinterlassen, dass politisch Druck ausgeübt wird, um die Richterinnen und Richter in eine bestimmte Richtung zu drängen.» Jetzt betreffe es zwar ihn. Doch schon bald «könnten andere Richter in dieselbe Situation geraten», sagt Donzallaz.

«Das ist eindeutig Propaganda»

Wie die SVP schreibt, ist für ihre Fraktion «sowohl die Gewaltentrennung als auch die richterliche Unabhängigkeit eine Selbstverständlichkeit». Die Unabhängigkeit der Justiz basiert für die Partei darauf, dass die Gerichte die durch die Legislative und das Volk beschlossenen Gesetze anwenden. Als «problematisch» sieht die SVP jedoch, «dass die Judikative zunehmend Ansprüche aus Völkerrecht ableitet, sich in den Zuständigkeitsbereich des Gesetzgebers ausbreitet und so zum ‹Über-Verfassungsgeber› wird». Volk und Parlament werden so laut SVP «faktisch ausgeschaltet».

«Das ist eindeutig Propaganda», widerspricht Yves Donzallaz in dem NZZ-Interview. «Ich kann Ihnen versichern, es ist nie so, dass sich drei oder fünf Richter hinsetzen und beschliessen, ein Gesetz nicht anzuwenden.» Und auch sonst geht der SVP-Richter mit seiner Partei hart ins Gericht. Laut Donzallaz ziehen sich die Druckversuche nun schon über mehrere Jahre hin. «Bis jetzt habe ich geschwiegen, doch diese Angriffe schaden den Institutionen. Deshalb musste ich reagieren.» Für Donzallaz ist der Versuch der Einflussnahme auf Richter denn auch «ein spezifisches Problem der SVP». Von Richtern aus anderen Parteien kenne er jedenfalls keinen vergleichbaren Fall. Da er in seiner SVP Wallis gut verankert sei, und nicht der SVP Schweiz Mitglied, sehe er derzeit auch keinen Grund, die Partei zu verlassen. Die Druckversuche kämen von der Mutterpartei.

Richter warnen vor Einflussnahme durch Parteien

Auslöser der jüngsten Auseinandersetzung der SVP mit ihrem Bundesrichter ist ein UBS-Urteil vor gut einem Jahr. Damals war SVP-Richter Donzallaz an einem Urteil zur Schweizer Grossbank beteiligt. Damit zwang das Bundesgericht die UBS, 40'000 Kundendaten an Frankreich zu liefern. Mit drei zu zwei Stimmen fiel der Entscheid der Lausanner Richter äusserst knapp aus. Zudem hatte Yves Donzallaz 2015 ein Bundesgerichtsurteil mitgetragen, nach dem die Personenfreizügigkeit der Schweiz mit der EU Vorrang habe vor der vom Volk angenommenen SVP-Initiative gegen die Masseneinwanderung.

Als Reaktion auf die heftige Kritik aus den eigenen Reihen an SVP-Richter Yves Donzallaz haben bereits mehrere Bundesrichter vor einem Verlust der Unabhängigkeit der Justiz in der Schweiz gewarnt. Jüngstes Beispiel ist Marianne Ryter: «Wir sind keine Parteivertreter», warnte die oberste Schweizer Verwaltungsrichterin am Montag in der NZZ. «Richterinnen und Richter, die unliebsame Entscheide treffen, scheinen seit einiger Zeit vermehrt in den Fokus der Politik zu geraten.» Mit Blick auf die Bundesverfassung dürfe es «nicht sein, dass Wiederwahlen dazu benutzt werden, politisch auf die Rechtsprechung Einfluss zu nehmen», so Ryter.