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Schweiz

Der Klimawandel setzt den Alpen besonders zu: Nun wird  ein Klimaforschungszentrum in Davos eröffnet mit Beteiligung der ETH

Die Bergregionen leiden besonders unter der Erderwärmung. In Davos wird deshalb ein neues Forschungszentrum mit bis zu 40 Mitarbeitern gegründet. Ab Januar 2021 sollen darin gesellschaftliche und wirtschaftliche Fragen zu Klimawandel, Extremereignissen und Naturgefahren im Gebirgsraum erforscht werden.
Mit dem Klimawandel geraten die Berge in Bewegung, wie hier im Mai 2019 beim Brienzer Rutsch. (Gian Ehrenzeller / KEYSTONE)

Bruno Knellwolf

«Die Schweiz besteht vor allem aus Bergen. Wir sind eine Bergnation mit Tälern, auch Mittelland genannt», sagt Konrad Steffen, Direktor der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Schnee, Wald und Landschaft WSL. Das heute vorgestellte neue Klimaforschungszentrum in Davos, in dem die Naturgefahren für den Alpenraum untersucht werden, hat demnach nicht nur Bedeutung für Graubünden, sondern für die ganze Schweiz. Beteiligt am Forschungszentrum ist neben dem WSL, der Kanton Graubünden und die ETH Zürich, die in Davos am Standort des Schnee- und Lawinenforschungsinstitut SLF zwei Professuren einrichten wird.

Alpen besonders stark vom Klimawandel betroffen

Die Temperatur ist in den letzten 150 Jahren in der Schweiz um zwei Grad Celsius gestiegen, doppelt so stark wie im globalen Mittel, wie Steffen vorrechnet. Besonders davon betroffen sind die Bergregionen. Die kleinen Gletscher werden bis 2100 verschwinden, die grossen weiter viel an Masse verlieren. Erdrutsche, Schneelawinen und Überschwemmungen werden zunehmen, wenn Gletscher und Permafrost zurückgehen. Und mit den extremeren Klimabedingungen werden Extremereignisse wie grosse Steinlawinen zunehmen. «Wir befinden uns in einem neuen Szenario, in Extremwerten und wir kennen die Prozesse nicht, welche das auslöst», sagt Steffen an der Medienkonferenz in Chur.

«In den alpinen Regionen verstärken sich die Effekte. Die Alpen werden bestehen bleiben, aber ihr Bild wird sich verändern.»

Man wisse nicht, wo es hingehe, bestätigt SLF-Direktor Jürg Schweizer. «Wir verlassen den Normbereich und somit wird es immer schwieriger, Prognosen zu machen.» Um auf die wachsenden Naturgefahren im Alpenraum rechtzeitig reagieren zu können, braucht es Projektionen von Szenarien». Dabei geht es vor allem um Anpassung an den Klimawandel und das Risikomanagement. Denn zuerst rollen die Steine in den Bergen, dann lösen die Klimaeffekte weitere Prozesse in den Schutzwäldern aus und betreffen am Schluss die Menschen im Tal. Sei als Schnee- oder Steinlawine, als Erdrutsch oder Überschwemmung.

Am WEF 2019 erstmals darüber gesprochen

Um den Gefahren des Klimawandels frühzeitig begegnen zu können, hat sich die Regierung des Kantons Graubünden mit dem WSL und der ETH zusammengetan. Wie erstmals am WEF 2019 besprochen, wird nun das Forschungszentrum mit 40 Mitarbeitern und zwei ETH-Professuren ab 2021 für zwölf Jahre eingerichtet. Aufgewendet werden dafür 6 Millionen Franken pro Jahr, die Hälfte bezahlt das WSL, zwei Millionen der Kanton Graubünden, eine Million die ETH.

Diese wird eine Professur für «Klimaauswirkungen in Bergregionen» eröffnen. Darin werden Modelle erforscht, um die Auswirkungen der Klimaextreme zu bestimmen und die gefährlichen Prozesse daraus zu bestimmen und Massnahmen einleiten zu können. «Wir brauchen schnell auch Notlösungen», sagt ETH-Präsident Joel Mesot. Denn die Auswirkungen seien schon da.

Zweite Professur für Ingenieur-Wissen

Dafür wird die zweite Professur aufgebaut, die das Ingenieur-Wissen für eine intakte Infrastruktur und Umwelt herstellen will. «Ereignisse wie in Gondo zeigen, dass wir schnell Schutzmassnahmen definieren müssen», sagt Mesot, der hofft, die ETH-Professuren schon 2021 besetzen zu können. Das sei nach der Corona-Krise in der Schweiz sogar einfacher geworden. «Die Schweiz hat im Vergleich zu anderen Ländern eine komfortable Situation. Wir sind attraktiv für Doktorierende und Professoren», sagt der ETH-Präsident. Corona habe der Einrichtung des neuen Forschungszentrums nicht geschadet, sagt auch Steffen. Noch nie sei es so einfach gewesen, die Verantwortlichen zu einer Sitzung zusammenzubringen. Kurzfristig habe Corona den Fokus weg vom Klimaproblem gelenkt, sagt der Bündner Regierungsrat Marc Caduff. «Aber langfristig wird das Coronavirus wieder in Vergessenheit geraten und der Klimawandel dominieren.»