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Öffentlicher Verkehr

Datenschützer kritisiert SBB-Namensschilder

In heiklen Situationen sollen SBB-Mitarbeitende auf das Namensschild verzichten dürfen, um eine missbräuchliche Identifizierung ihrer Person zu erschweren. Das fordert die Gewerkschaft des Verkehrspersonals seit Jahren. Nun erhält sie Unterstützung vom Datenschützer.
Bei Billettkontrollen in Zügen tragen SBB-Mitarbeitende jeweils ein Namensschild. Dieses ist umstritten: Auch der oberste Schweizer Datenschützer fordert nun den Schutz der Anonymität. (Themenbild)
Bild: KEYSTONE/CHRISTIAN BEUTLER

In den vergangenen Tagen ist ein alter Konflikt wieder aufgeflammt: Im Zentrum stehen die Namensschilder der SBB-Mitarbeitenden. Seit deren Einführung im Jahr 1987 wird immer wieder darum gestritten.

Einerseits erlauben es die Schilder den Reisenden, Zugführer und Kondukteure im Fernverkehr mit den Namen ansprechen zu können und so einen engen Kundenkontakt herzustellen. Andererseits fürchtet sich ein Teil des Personals vor vermehrten Belästigungen im Privatleben, wenn ein Kunde beispielsweise mit einer ausgesprochenen Busse nicht einverstanden ist.

Wahlfreiheit gefordert

Der Personalverband Transfair fordert deshalb eine Alternative für betroffene SBB-Mitarbeitende: Sie sollen wählen können, ob sie tatsächlich mit Namen hinstehen oder nur noch die Personalnummer und die genaue Berufsbezeichnung auf der Tafel tragen wollen.

Transfair-Regionalsekretär Werner Rüegg bestätigte am Donnerstag auf Anfrage einen entsprechenden Bericht von 20minuten.ch. In letzter Zeit hätten Fälle zugenommen, bei denen SBB-Angestellte bedroht worden seien. Die Dunkelziffer sei hoch. Jeder Fall sei tragisch. "Unser Vorschlag würde den Mitarbeitenden ein besseres Sicherheitsgefühl geben."

"Sicherheit kommt vor Marketing"

Nun bekommt die Gewerkschaft Rückenwind von prominenter Stelle: Der Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte (Edöb) hält die Namensschilder ebenfalls für problematisch. "Die Bekanntgabe der Identität kann die persönliche Sicherheit der Angestellten beeinträchtigen", schreibt die Behörde auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.

Und weiter: "In seiner Interessenabwägung kommt der Edöb eindeutig zum Schluss, dass die Sicherheitsinteressen der Angestellten Vorrang haben vor den Marketinginteressen der Arbeitgeberin." Zudem sei es fraglich, ob das Ziel der Imageverbesserung und der besseren Kundenbindung mit der direkten Identifikation der Angestellten überhaupt erreicht werde.

SBB sehen keinen Handlungsbedarf

Wie Transfair schlägt auch der oberste Schweizer Datenschützer "weniger einschneidende Massnahmen" vor. Schilder mit der Personalnummer würden es dem Vorgesetzten erlauben, die Mitarbeitenden bei Bedarf zu identifizieren. Gleichzeitig wäre so die Privatsphäre der Person geschützt.

Die SBB kommen bei ihrer Interessenabwägung zu einem anderen Schluss. Sie erachten ihr Vorgehen als verhältnismässig und sind "überzeugt, dass eine persönliche Betreuung der Fahrgäste einen wichtigen Beitrag zur positiven Kundenwahrnehmung leistet". Dazu gehöre auch ein persönliches Namensschild mit Initialen, Nachnamen und Berufsbezeichnung, schreiben die SBB in einer Stellungnahme.

Schutz mit fiktiven Namen

Seit einigen Jahren machen die SBB Ausnahmen für Mitarbeitende, die negative Erfahrungen gemacht haben. Sie können ein Namensschild mit einem fiktiven Namen beantragen. "So stellen wir den Schutz unserer Mitarbeitenden im Privatleben sicher."

Zur Zahl von Drohungen und Stalking gegen Mitarbeitenden, die aufgrund der Namensschilder verfolgt oder belästigt wurden, machen die SBB keine Angaben. Im Schnitt ereignet sich auf dem SBB-Netz alle zwei bis drei Tage ein Übergriff auf das Personal - dies bei täglich 1,26 Millionen Reisenden.

Postauto als Vorbild

Generell sei die Sicherheitslage in den vergangenen Jahren stabil gewesen, schreiben die SBB weiter. Die einzelnen Fälle seien aber "tendenziell gröber" geworden.

Auch aus diesem Grund ist es für Transfair unverständlich, dass die Bundesbahnen beim Thema Namensschilder nicht einlenken. "Fiktive Namen sind nicht optimal", sagte Rüegg. Beispielsweise Postauto gehe als gutes Beispiel voran. Das Unternehmen lasse seinen Mitarbeitenden mit Kundenkontakt die Wahlfreiheit, ob sie mit Namen oder Personalnummer auftreten wollen. (sda)