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Schweiz

Crypto-Affäre: Wie wurden die wahren Besitzer der Crypto AG verschleiert und versteckt? Die Spuren führen nach Vaduz

Die Liechtenstein-Connection: Die Affäre um die Zuger Firma führt nun auch ins Fürstentum.
Die Spuren hinter den verschleierten Besitztümer der Firma führt nach Vaduz. (Keystone)

René Zeyer

Gibt es eine lieblichere und festeren Glauben an das Gute ausstrahlende Adresse als Heiligkreuz 6? Schräg gegenüber ragt die Kathedrale St.Florin in den Himmel von Vaduz.

Der heilige Florin soll Wasser in Wein verwandelt haben, in der Kanzlei Marxer und Partner wird seit vielen Jahren in Stiftungen, Holdings, Trusts und andere Konstrukte verwandelt, was nicht immer heiligen Zwecken dient.

Die Liechtensteiner Treuhänder sind traditionell die Anlaufstelle, wenn es darum geht, Beneficial Owner, die wahren Besitzer und Nutzniesser eines Vermögenswerts, im Nebel des Ungefähren – und felsenfest beschützt durch das Anwaltsgeheimnis – verschwinden zu lassen.

Als 1952 die Crypto AG gegründet wurde, kam der schwedische Verschlüsselungsspezialist Boris Hagelin lediglich in den Beitz einer einzigen Aktie. Eine weitere wurde vom Zuger Treuhänder Albert Dormann gehalten, die übrigen 48 bekam die «Anstalt Europäische Handelsgesellschaft» (AEH) mit Sitz in Vaduz.

In deren Verwaltungsrat hatte Hagelin Einsitz – und der fürstliche Justizrat Ludwig Marxer. Die AEH wiederum ist über die «Fundationsanstalt» zu erreichen, die ihren Sitz am Heiligkreuz 6 hat. Diese Fundationsanstalt hat als Shareholder eine Mes-Petits Limited, die man an der De Castro Street 24 in Road Town auf Tortola finden kann; eine karibische Insel und Teil der British Virgin Islands. Ein Anteilseigner von ihr ist die Hornbeam Corporation, so wie tausende andere Briefkastenfirmen auch auf Tortola registriert.

Um da nicht den Überblick zu verlieren, agiert Marxer & Partner Rechtsanwälte als Mittelsmann für Mes-Petits, womit wir auf dieser Weltreise wieder am Heiligkreuz 6 angekommen wären. Die dort beheimatete Fundationsanstalt hat seit ihrer Gründung im Jahr 1930 die Aufgabe, Treuhänderschaften, Stiftungsratsmandate und Repräsentanzen zu übernehmen. In Betrieb gesetzt wurde sie vom «Fürstlichen Justizrat», später sogar «Wahrer Justizrat» Ludwig Marxer.

Auch sein Sohn Peter Marxer darf den Titel «Fürstlicher Justizrat» führen; inzwischen ist mit Florian Marxer bereits die dritte Generation in der «ältesten und grössten Anwaltskanzlei» des Ländles tätig. Die Kanzlei galt lange Jahre als das «Justizministerium» des kleinen Fürstentums. Die insgesamt 150 lizenzierten Treuhänder im Ländle sorgen zum grossen Kummer des Fürsten anhaltend für hübsche Skandale.

Aber die Verschleierung der wahren Besitzverhältnisse bei der Crypto AG; seit 1970 ein Joint Venture zwischen CIA und dem deutschen Nachrichtendienst, gelang Marxer geräuschlos. Als 1993 im Nachgang zur Bühler-Affäre der BND kalte Füsse bekam und aussteigen wollte, erledigte Marxer die Verkaufsabwicklung; Geld in eine schwarze Kasse des BND, Eigentum ins Portefeuille der CIA.

Aber in den letzten zehn Jahren nahm die Bedeutung der Crypto AG im internationalen Chiffriergeschäft stark ab. Der Wechsel von mechanischen auf elektronische Verschlüsselungsmaschinen war mithilfe der NSA und von Siemens noch einigermassen geglückt. Aber immer mehr Staaten wechselten auf nicht lineare Chiffriermethoden. Ausserdem hat die NSA, wie man spätestens seit den Enthüllungen von Edward Snowden weiss, es gar nicht mehr nötig, einen solchen Aufwand zu betreiben, um Verschlüsselungen zu knacken.

Also beschloss die CIA, zum letzten Mal Kasse zu machen und stellte die Crypto AG zum Verkauf. Unter dem Namen CyOne Security wurde der Schweizer Markt von einem Management-Buyout übernommen.

Das internationale Geschäft und den Namen samt Webseite kaufte der schwedische Unternehmer Andreas Linde. Geschockt von den jüngsten Enthüllungen bezeichnet er das inzwischen als den wohl schlimmsten Fehler seines Lebens.

Er besteht darauf, keine Ahnung gehabt zu haben, dass er die Crypto AG nicht etwa von den Erben des Firmengründers oder Schweizer Aktionären kaufte, sondern von der CIA. Beziehungsweise von der Tarnkonstruktion, die Marxer erstellt und verwaltet hatte. Da erhebt sich zumindest die Frage nach der Haftbarkeit. Dem Vernehmen nach soll der US-Geheimdienst insgesamt rund 45 Millionen Franken dafür kassiert haben.

Neben den jahrzehntelangen Gebühren – oder dem «Schweigegeld», wie das in den geleakten Dokumenten bezeichnet wird – kassierte die Anwaltskanzlei noch ein letztes Mal für ihre Dienste bei der Verkaufsabwicklung hübsch ab. Marxer lehnte auf Anfrage jegliche Stellungnahme ab.