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Schweiz

«Dicke Post»: Arther Gemeindepräsident kritisiert Einbürgerungsurteil des Bundesgerichts scharf

Die Gemeinde Arth verweigerte einem Italiener den roten Pass, weil er nicht wusste, dass im Tierpark Goldau Bär und Wolf im gleichen Gehege leben. Jetzt hat das Bundesgericht den Entscheid umgekippt. Die Einbürgerungsbehörde werde regelrecht vorgeführt, sagt der Arther Gemeindepräsident Ruedi Beeler.
Seit 2009 leben sie in einem gemeinsamen Gehege: Bär und Wolf im Tierpark Goldau. (Tierpark Goldau)
Ruedi Beeler. (Bild: Bote der Urschweiz)

Kari Kälin

Kari Kälin

Die Geschichte erinnert an den Film «Schweizermacher», den Kinohit von Rolf Lyssy aus dem Jahr 1978, in dem helvetische Einbürgerungsbeamte Aspiranten für den Schweizer Pass aufs Genauste prüfen, zum Beispiel, ob sie die Güselsäcke ordentlich entsorgen. In einem aktuellen Fall musste sich das Bundesgericht nicht mit dem Abfallmanagement befassen, sondern mit Kenntnissen über spezielle Wohngemeinschaften aus dem Tierreich. Die Gemeinde Arth verweigerte einem heute 51-jährigen Italiener den roten Pass, obwohl er seit 30 Jahren in der Schweiz, seit 26 Jahren in Arth lebt, Deutsch beherrscht, wirtschaftlich auf soliden Füssen steht und einen makellosen Strafregisterauszug aufweist.

Der Gipser und Glacéhändler bestand den politischen Teil des Schweizermacher-Tests, scheiterte an einer mündlichen Anhörung ungenügenden Kenntnissen über die Lokalkultur und die schweizerischen Verhältnisse. Das Wort «Ländler» sagte ihm nichts, das Alphorn bezeichnete er als «Schwyzer Horn» und er wusste nicht, dass im Tierpark Goldau Wolf und Bär im gleichen Gehege untergebracht sind. Den Gnipen, die Abbruchstelle des Goldauer Bergsturzes, kannte der Italiener ebensowenig, obwohl er über die Naturkatastrophe aus dem Jahr 1806 Bescheid wusste. Der Mann berichtete, die Einbürgerungskommission habe sich ihm gegenüber feindselig verhalten.

Eine freudige Kunde ereilt ihn jetzt aus Lausanne. Das Bundesgericht weist die Arther Einbürgerungsbehörde an, dem Italiener den roten Pass zu erteilen. Es hält sinngemäss fest, dass Kandidaten bei einem Einbürgerungstest nicht mit Spezialwissen brillieren müssen, sondern Grundkenntnisse des Allgemeinwissens genügen. Und:

«Spitzfindigkeiten haben im Einbürgerungsverfahren keinen Platz und die Ansprüche an das Wissen der Gesuchsteller dürfen nicht überhöht werden.»

Ruedi Beeler, Präsident der Gemeinde Arth, führte im Juni 2016, damals noch als Präsident der Einbürgerungsbehörde, die betreffende Anhörung durch. Der CVP-Politiker bezeichnet das Urteil aus Lausanne als «dicke Post».

«Die Einbürgerungsbehörde wird regelrecht vorgeführt, dabei hat das Schwyzer Verwaltungsgericht deren Einschätzung über die mangelnde Kenntnisse zu den örtlichen und kulturellen Verhältnissen gestützt.»

Arther Gemeindepräsident kritisiert Urteil aus Lausanne

Beeler kann nicht nachvollziehen, weshalb das Bundesgericht die Nichteinbürgerung als willkürlich taxiert. «Das Verwaltungsgericht stütze sich auf die exakt gleiche Gesetzesgrundlage und kam zu einem anderen Schluss.» Beeler geht davon aus, dass die Einbürgerungsbehörde das Urteil jetzt analysieren wird. Bis anhin verlangte sie, dass Kandidaten etwa 60 Prozent der Fragen in einem Teilbereich richtig beantworten mussten. «Das wird nun durch das Urteil des Bundesgerichts verwässert», sagt Beeler.

Patrick Sutter, der Anwalt des italienischen Staatsbürgers hingegen, registrierte den Entscheid des höchsten Schweizer Gerichts mit Genugtuung.

«Die Einbürgerungsbehörde hat aktiv nach Haaren in der Suppe gesucht, um einer bestens integrierten Person das Bürgerrecht zu verweigern»

, sagt er. Selbstverständlich wisse sein Mandant auch Bescheid über die Tatsache, dass im Tierpark Goldau Bär und Wolf im gleichen Gehege untergebracht seien. Er habe schlicht und einfach nicht realisiert, was für eine Antwort die Behörde erwartet habe auf die Frage, wo sich Bär und Wolf «Gute Nacht» sagten. Der Italiener kennt auf jeden Fall den Tierpark bestens aus eigener Erfahrung. Er hat im Gelände Gipserarbeiten ausgeführt.

ETH-Professor kannte nicht alle Nachbardörfer

Nicht zum ersten Mal ruft ein Einbürgerungsentscheid aus dem Kanton Schwyz ein breites Echo hervor. So verweigerte etwa der Bezirksrat Einsiedeln vor gut fünf Jahren einem amerikanischen ETH-Professor das Bürgerrecht, weil er die sechs kleineren Ortschaften rund um Einsiedeln nicht benennen konnte. Er habe sodann auch kaum Namen von Freunden und Bekannten nennen können.

Landesweit für Unverständnis sorgte die Aargauer Gemeinde Buchs, als sie der perfekt integrierten Türkin Funda Yilmaz den Schweizer Pass vorenthielt. Die Einbürgerungskommission rieb ihr im Frühjahr 2017 unter anderem unter die Nase, sie wisse über die Abfallentsorgung und Einkaufsmöglichkeiten in der Gemeinde nicht viel, was auf eine mangelhafte Integration hindeute. So habe sie als Einkaufsmöglichkeiten bloss Migros und Aldi erwähnt. Die Frage nach einer typischen Schweizer Sportart hätte die Kommission lieber mit den Stichworten Schwingen oder Hornussen anstatt Skifahren beantwortet gehabt. Im Herbst 2017 und zahlreiche Medienberichte später wurde Yilmaz dann doch noch eingebürgert.