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Unglücke

Gewaltige Detonation erschüttert Beirut

Nach der gewaltigen Detonation in Beirut mit mehr als 70 Toten und 3000 Verletzten beginnt im Libanon die Suche nach möglichen Ursachen. Ausgelöst haben könnte die schwere Explosion eine sehr grosse Menge Ammoniumnitrat.
Soldaten stehen in der Nähe des Ortes einer Explosion am Hafen von Beirut. Foto: Marwan Naamani/dpa
Bild: Keystone/dpa/Marwan Naamani

Schätzungsweise 2750 Tonnen der gefährlichen Substanz seien jahrelang ohne Sicherheitsvorkehrungen im Hafen von Beirut gelagert worden, sagte Ministerpräsident Hassan Diab dem Präsidialamt zufolge. Hinweise auf einen Anschlag oder einen politischen Hintergrund gab es am Dienstag nicht.

Hafen vollständig zerstört

Die Explosion stürzte die libanesische Hauptstadt, deren Bevölkerung derzeit schon unter einer schweren politischen und wirtschaftlichen Krise leidet, in noch tieferes Chaos. Durch die Erschütterung zerbarsten Fenster, Trümmerteile schlugen Löcher in Wände. Blutende Menschen wanderten durch Schutt und Staub, einige Strassen waren voller Glasscherben. Grosse Teile des Hafens wurden vollständig zerstört. Beirut, in dessen Grossraum schätzungsweise bis zu 2,4 Millionen Menschen leben, wurde zur "Katastrophen-Stadt" erklärt.

Die Schweizer Botschafterin in Beirut ist bei der Explosion leicht verletzt worden. Durch die Druckwelle wurden die Schweizer Botschaft und die Residenz der Botschafterin stark beschädigt. Die enorme Druckwelle liess laut EDA noch in kilometerweiter Entfernung Fenster bersten. So seien auch die Schweizer Botschaft und die Residenz der Botschafterin stark beschädigt worden. Botschafterin Monika Schmutz sei dabei leicht verletzt worden und habe sich für weitere Abklärungen ins Spital begeben. Das übrige Botschaftspersonal sei wohlauf, hiess es. Nunmehr werde abgeklärt, ob weitere Schweizer Staatsangehörige von der Explosion betroffen sind. Bisher lagen dazu aber noch keine Hinweise vor, hiess es aus dem EDA.

Ausreise nach juristischem Streit

Ammoniumnitrat, das auch zur Herstellung von Sprengsätzen dient, kann bei höheren Temperaturen detonieren. Die Substanz dient zum Raketenantrieb und vor allem zur Herstellung von Düngemittel. Der Stoff könnte von einem Frachtschiff stammen, dem libanesische Behörden laut Berichten im Jahr 2013 wegen verschiedener Mängel die Weiterfahrt untersagt hatten. Das Schiff war demnach von Georgien aus ins südafrikanische Mosambik unterwegs. Der Besatzung gingen dann Treibstoff und Proviant aus, der Inhaber gab das Schiff offenbar auf. Der Crew wurde nach einem juristischen Streit schliesslich die Ausreise genehmigt. Das Schiff blieb zurück mit der gefährlichen Ladung, die in einem Lagerhaus untergebracht wurde.

Bei der Detonation hatte sich eine riesige Pilzwolke am Himmel gebildet. Eine Druckwelle breitete sich blitzschnell kreisförmig aus. Noch Kilometer weiter gab es Schäden. Beschädigt wurden unter anderem auch der Regierungspalast, die finnische Botschaft und die Residenz von Ex-Ministerpräsident Saad Hariri. Am Suk Beirut, einer modernen Einkaufsgegend, zerbarsten Fensterscheiben. Auch ein Schiff der Uno-Friedenstruppen im Libanon (Unifil) wurde beschädigt. Es seien Blauhelm-Marinesoldaten verletzt worden, teilte die Mission mit.

Präsident Michel Aoun rief für den heutigen Mittwoch eine Dringlichkeitssitzung des Kabinetts ein, um die Ursachen der Explosion zu klären. "Ich werde nicht ruhen, ehe ich den Verantwortlichen kenne und ihm die härteste Strafe gebe", sagte Aoun laut Zitaten des Präsidialamts bei Twitter. Regierungschef Diab erklärte den Mittwoch zum Tag landesweiter Trauer in Gedenken an die Opfer. Für die Stadt wurde ein zwei Wochen langer Notstand verhängt.

Trump vermutet Anschlag

Regierungen anderer Länder zeigten sich betroffen und stellten rasche Unterstützung in Aussicht. Die Europäische Union und Frankreich - frühere Mandatsmacht des Libanon - stellten Hilfen bereit. Uno-Generalsekretär António Guterres reagierte bestürzt und drückte den Familien der Opfer sein "tiefstes Beileid" aus.

US-Präsident Donald Trump schien den Vorfall als Anschlag einzustufen: Seine "Generäle" gingen von einer Art Bombe aus, sagte Trump im Weissen Haus. Die Explosion deute nicht auf einen Unfall hin, sagte Trump unter Berufung auf seine Militärberater.

Selbst Israel, das mit dem benachbarten Libanon keine diplomatischen Beziehungen pflegt, bot über ausländische Kanäle "medizinische humanitäre Hilfe" an. Offiziell befinden sich beide Länder noch im Krieg. Spekulationen, dass Israel hinter der Explosion stecken könnte, räumte Aussenminister Gabi Aschkenasi aus. (sda/dpa)