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Zugunglück

Kein menschliches Versagen bei Entgleisungen

Kein menschliches Versagen: Gemäss dem Schlussbericht der Sicherheitsuntersuchungsstelle Sust führte eine unglückliche Verkettung von verschiedenen Faktoren zu den zwei folgenschweren Entgleisungen im Jahr 2017 in den Bahnhöfen Luzern und Basel.
Einer der entgleisten Wagen kippte beim Unfall gegen einen Fahrleitungsmasten. Für die Reparaturarbeiten war der Bahnhof Luzern während vier Tagen gesperrt. (Archivbild)
Bild: KEYSTONE/URS FLUEELER

Am 22. März 2017 waren bei der Ausfahrt auf dem Bahnhof Luzern zwei Wagen eines italienischen Eurocity-Zuges entgleist. Einer der Wagen kippte auf die Seite an einen Fahrleitungsmast. Sieben Zugpassagiere wurden dabei leicht verletzt. Für die Reparaturarbeiten an der Infrastruktur musste der Bahnhof während vier Tagen für sämtlichen Zugverkehr gesperrt werden.

Am 29. November des gleichen Jahres sprangen bei der Einfahrt in den Bahnhof Basel SBB drei Wagen eines deutschen ICE-Zuges mit ungefähr 500 Passagieren an Bord aus den Schienen. Verletzt wurde niemand. Der Sachschaden an der Infrastruktur und an den Fahrzeugen war jedoch beträchtlich. Nach dem Unfall stand der ganze Bahnhof Basel SBB wegen eines Stromunterbruchs für zwei Stunden komplett still.

Gleicher Schienentyp

Wie die Sust nun am Donnerstag in ihrem Schlussbericht mitteilte, waren die Ursachen und der Unfallhergang bei beiden Unfällen sehr ähnlich: Denn sie ereigneten sich auf dem gleichen Weichentyp, einer sogenannten "versteilten Doppelkreuzungsweiche".

Bei beiden Fällen führte "das Zusammenwirken von verschiedenen Faktoren" dazu, dass der äussere Teil des Bahnwagenrades, der sogenannte Spurkranz, der das Rad in Position hält, auf die Schiene auflief und danach entgleiste.

Zu diesen Faktoren gehörten beim Unfall in Luzern ein abgenütztes Rad des Wagens, der als erster entgleiste und ein Defekt an der Querfederung des Drehgestells desselben Wagens. In beiden Fällen fehlte der Fettfilm auf dem Spurkranz der Räder und auf dem Schienenkopf und der Abstand zwischen der Weichenzunge und der Stockschiene war zu gross.

Gemäss der Sust lagen alle diese Faktoren innerhalb der anerkannten Toleranzwerte oder sie hätten - wie bei der defekten Federung - überhaupt erst bei der nächsten Revision erkannt werden können. Im Rahmen der Untersuchung stellte die Sust jedoch fest, dass der ungenügende Schmierzustand der Schienen und der Weichenzungen "massgeblich zum Risiko beitragen" könne.

Empfehlungen der Sust

Deshalb empfiehlt die Sust dem Bundesamt für Verkehr (BAV), es solle als Aufsichtsbehörde Massnahmen prüfen, dass auch bei komplizierten Gleiskonstellationen "jederzeit die Schmierung der Schienenflanke sichergestellt ist".

Um den Reibwert gering zu halten, werden die Spurkränze der Räder über ein Schmiersystem laufend mit einem Flüssigschmierstoff besprüht. Beim Überfahren der Schiene wird der Schmierstoff auch auf die Fahrkante der Schiene übertragen. Weil das bei neu eingebaute Zungenvorrichtungen noch nicht der Fall ist, sollten diese am Anfang manuell geschmiert werden, schreibt die Sust.

Ausserdem soll das BAV Massnahmen prüfen, damit sichergestellt wird, dass der Abstand zwischen Stockschiene und Weichenzunge so klein bleibt, dass die Gefahr eines Entgleisens nicht bestehe.

SBB intensiviert Weichenkontrolle

In einer ersten Reaktion betonte die SBB, dass keiner der von der Sust aufgezeigten Faktoren "für sich allein zu einer Entgleisung geführt" hätte. Nach einer eigenen Untersuchung der Unfälle habe die SBB bei den 45 versteilten Doppelkreuzungsweichen Massnahmen ergriffen. So seien in Basel und Luzern zwei Weichen ersetzt worden, 41 weitere seien bis im Juni 2019 umgebaut und stabilisiert worden.

Ausserdem habe die SBB die Weichenkontrollen intensiviert, ein Projekt zur automatisierten Weichenkontrolle laufe. Diese Massnahmen seien mit dem BAV laufend abgesprochen. (sda)