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Theater

Wenn Politiker nur noch Ja oder Nein sagen dürfen, wirds für sie im Theater ungemütlich

Am Sogar Theater in Zürich wird das Stück des Basler Autors Lukas Holliger «Ja oder Nein – eine Partei im Kreuzverhör» uraufgeführt.

Monika Varga als Moderatorin und Michael Wolf als Politiker Hans-Ueli Schaub.
Bild: Ayse Yavas / Sogar Theater

Ja oder Nein: In einer Direkten Demokratie wie der Schweiz entscheiden Stimmbürgerinnen und –bürger über komplexe Vorlagen an der Urne. Gibt es somit bloss Weiss oder Schwarz? Was sagt ein fiktiver SVP-Politiker wie Hans-Ueli Schaub zu den Fragen einer Radiomoderatorin, auf die er nur mit Ja oder Nein antworten darf? In Lukas Holligers Dialogstück «Ja oder Nein – eine Partei im Kreuzverhör» zwingt die Moderatorin den Politiker, die Kernaussagen von dessen Partei aus Abstimmungskämpfen und Plakatkampagnen bis zum Ende zu denken.

Die bohrenden Fragen wiederholen sich wie bei Kratzern auf einer Schallplatte

Welche Möglichkeiten von Zustimmung oder Ablehnung gibt es für Nationalrat Schaub? Die Fragen der Moderatorin werden stetig drängender; Schaub sucht Ausflüchte, worauf sofort ein unmissverständliches «Bitte beantworten Sie die Frage mit Ja oder Nein» erfolgt. Zunehmend genervt muss Schaub zur Kenntnis nehmen, dass die Moderatorin ihm Sätze um die Ohren haut, die alle im Zusammenhang mit der SVP – etwa bei fremdenfeindlichen Zuspitzungen – gefallen sind. Sätze, die wehtun. Die Situation spitzt sich zu, bis dieses «Bitte beantworten Sie die Frage mit Ja oder Nein» mit einem Mal gar nicht mehr enden will – analog zu einer Schallplatte mit Kratzer und springender Nadel, weshalb eine Melodie immer und immer wieder erklingt.

Mit dieser Radiomoderatorin kann etwas nicht stimmen

Was ist da los? Zu spät merkt Schaub, dass mit der Moderatorin etwas nicht stimmen kann. Was, soll hier nicht verraten werden. Das Ende ist jedenfalls bestürzend, aber folgerichtig in einem Stück, das thematisch viele unterschiedliche Fragen aufwirft und der Schnittmenge von Rechtspopulismus und Rechtsextremismus nachspürt. Holligers «Ja oder Nein – eine Partei im Kreuzverhör» ist ein argumentativ kluges, in seinen Schlussfolgerungen aufrüttelndes Werk. Mitdenken gehört im Theater dazu, doch hier ist vom Publikum verstärkte Denkarbeit gefragt. Wer auch nur kurz wegdriftet, hat bereits eine entscheidende Frage verpasst und damit ein dialogisches Ping Pong, das es in sich hat: nicht zuletzt deshalb, weil Regisseurin Ursina Greuel die Moderatorin (Monika Varga im bunten Kleid) Bühnendeutsch sprechen lässt, den Politiker Schaub (Michael Wolf im mausgrauen Anzug) hingegen ein solches mit schweizerdeutscher Färbung. Auch damit wird eine Inszenierung akzentuiert, deren sprachliche Gestaltung grosse Sorgsamkeit verrät.

Das Misstrauen und die Bedrohung steigern sich bis zur Erschöpfung

Auf der kleinen Bühne ist die Studiosituation mit zwei Stühlen und Mikrofonen gut nachempfunden: damit lässt sich einiges machen. Zu Beginn geben sich die beiden ungleichen Partner locker, doch das ändert sich. Die Anspannung wächst – und so baut sich sukzessive ein Klima auf, das von Misstrauen, Angst und Bedrohung geprägt ist. Tätlichkeiten scheinen vorprogrammiert. Etwa dann, als die Moderatorin den Tisch und damit Schaub langsam nach hinten an die Wand schiebt, bis für den Politiker kein Ausweg mehr möglich erscheint. Dann passiert das Umgekehrte: Schaub benutzt den Tisch, um die Moderatorin an die gegenüberliegende Wand zu drücken. Nach einer Verschnaufpause geht es weiter, bis der erschöpfte Politiker am Ende die Moderatorin fragt: «Was ist denn jetzt mit unserem Parteiprogramm?» Klingt das harmlos? Nur hier. Im Theater erahnt man eine (pessimistische?) Fortsetzung. Diese müsste Lukas Holliger erst noch schreiben.

«Ja oder Nein - eine Partei im Kreuzverhör» Sogar Theater Zürich Aufführungen bis 1. Dezember; www.sogar.ch

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