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Bühne

Wem nützt die Liebe in Gedanken? Der Kunst! Christopher Rüpings gefeierte  Inszenierung «Das neue Leben»

Christopher Rüpings ans Berliner Theatertreffen eingeladene Inszenierung «Das neue Leben. ‹Where do we go from here›» kommt endlich in die Schweiz. Auf der Zürcher Pfauen-Bühne ist das Stück noch bis Ende November zu sehen. 

Kreisen um Beatrice: Anna Drexler (in Zürich ersetzt durch Henni Jörissen), Anne Rietmeijer und William Cooper.

Hätte der italienische Dichter Dante Alighieri (1265-1321) keine so obsessive Leidenschaft für eine Frau entwickelt, es gäbe heute weder sein Jugendwerk «Das neue Leben» noch könnte man durch die Höllenkreise seiner «Göttlichen Komödie» stolpern, um am Ende aufseufzend zu erkennen, dass da noch Licht am Ende des Tunnels ist.

Dass Bindungsangst schlecht für die Liebe ist, aber gut für die Kunst, dass nicht gelebte Sehnsüchte so intensiv sein können wie kopflose Sprünge in Liebesabenteuer, darum geht es in Christopher Rüpings Inszenierung «Das neue Leben. ‹Where do we go from here›». Die Pandemieerfahrung im Rücken, stellt sich der Hausregisseur des Schauspielhaus Zürich die Frage, ob es der Tod ist, der uns zu mehr Lebendigkeit verhilft, und ob man die nicht gelebte Lebenszeit während des Lockdown auch als sinnvoll verbuchen kann. Mit seinem Stück traf der Regisseur bei der Uraufführung vor einem Jahr einen Zeitnerv. Dieses Jahr wurde die am Schauspielhaus Bochum erarbeitete Inszenierung ans Berliner Theatertreffen eingeladen.

Wenn abgedroschene Popsongs ihre Magie zurückerhalten

Rüping braucht für seinen Zauber nicht viel: eine nackte Bühne – das Saallicht bleibt an - , und vier Menschen, die aus Dantes Werk «Das neue Leben» zitieren, eine Art Tagebuch der unerfüllten Liebe, quälend und obsessiv, auf der Bühne bleibt die Prosa nicht unhinterfragt. Statt der Sonette, die aus dem liebestollen Dichter fliessen, singen die Schauspieler Damian Rebgetz, William Cooper, Anne Rietmeijer und Henni Jörissen, begleitet von einem automatischen Klavier, Popballade um Popballade, von Britney Spears «Baby one more time» bis Natasha Bedingfield’s «These words». Dantes Worte sprechen durch die Songs weiter. Wie durch einen Zauber erhalten selbst die abgenutztesten Melodien etwas Anmutiges.

Im zweiten Teil führt ein visuell-musikalisches Bühnenspektakel durch Dantes Höllenkreise - man ist in der «Göttlichen Komödie» gelandet. Im Paradies empfängt die abgeklärte belgische Theaterlegende Viviane De Muynck (76), im unförmigen weissen Kapuzenpulli ihre Mitspielenden als gealterte Beatrice. Ohne Sentimentalität. Die Anmut ist weg. «Es war, wie es war», sagt sie zur verpassten Chance mit dem Dichter von Weltrang. Was Dante aus ihr gemacht habe, sei ihr egal. Selten wurde der Moment einer Desillusionierung schöner gezeigt. Selten aber auch die Feier des Lebens. Das Publikum schickt man mit den Zeilen des deutschen Musikers Danger Dan nach Hause, die wie ein Gegenentwurf zu Dantes Liebe auf Distanz klingen: Lass uns nochmals zusammen schlafen, bevor wir zu Staub werden.

«Das neue Leben. ‹Where do we go from here›». Schauspielhaus Zürich, Pfauen. Bis 24.11.

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