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Ökologie & Film

Studierende machen Druck auf Filmschulen

In den Filmschulen trifft eine nachhaltig denkende, engagierte Generation auf Strukturen, die aus einer unbeschwerteren Zeit stammen. Wie geht sie damit um? Absolventen und Studierende berichten.
Eine nachhaltig denkende und engagierte Generation macht Druck auf Filmschulen. Diese sollen das ökologische Filmen lehren - und zwar schnell.
Bild: Keystone/CHRISTIAN BEUTLER

Die Energie, die Tobias Luchsinger für seinen Masterfilm "Der Wert der Dinge" brauchte, wurde selber produziert. Der Strom für Licht, Kamera und Schnitt kam von Solarpanels, und wenn die nicht ausreichten, aus eigener Muskelkraft. Ausserdem wurden für Transporte ausschliesslich Lastenfahrräder benutzt.

"Wir tragen als Filmemacher eine Verantwortung. Und wir wollen diese auch übernehmen", sagt Leon Schwitter, der ebenfalls an der ZHdK studiert und seinen Abschlussfilm nach strengen Nachhaltigkeitskriterien gedreht hat. "Bei einem Film sollte nicht nur das Produkt wichtig sein, sondern auch der Herstellungsprozess."

Als er selbst noch Student war, gründete der heute 27-jährige mit Luchsinger und anderen eine Arbeitsgruppe, die sich mit nachhaltigem, fairen Filmemachen auseinandersetzte und einen Leitfaden verfasste, der nebst praktischen Ratschlägen auch konkrete Forderungen enthielt. Darunter die, dass die ZHdK als ausbildende Institution Verantwortung übernimmt und das obligatorische Angebot um das Segment "Nachhaltiges Drehen" erweitert.

Die Schule reagierte und führte 2021 zum ersten Mal den für Masterstudierende obligatorischen, gleichnamigen Kurs durch - mit Leon Schwitter als Dozent. Trotzdem, findet dieser, sei noch viel Raum nach oben: "Der Faktor Zeit, gerade wenn man sich die Dringlichkeit des Themas anschaut, ist schon sehr ernüchternd." Seit über zwei Jahren seien sie aktiv daran, die Schule dazu zu bringen, dem Thema mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Trotzdem setze diese seiner Ansicht nach immer noch zu sehr auf die Eigenverantwortung der Studentinnen und Studenten.

Schule betont ihr Engagement

Den Eindruck hat auch Aiyana de Vree, die momentan im Bachelorstudiengang mit Schwerpunkt Regie und Drehbuch eingeschrieben ist und sich in der studentischen Fachschaft engagiert. "Nachhaltigkeit wird zwar immer wie mehr thematisiert, aber fast immer auf Wunsch der Studierenden. Von Seite der Dozierenden aus ist es definitiv noch kein Schwerpunkt."

Moritz Schneider, verantwortlich für Kommunikation und Distribution beim Studiengang Film der ZHdK, ist das enorm gestiegene Interesse der Studenten am Thema nicht entgangen. Er relativiert aber den Eindruck, dass die Schule von sich aus noch nicht viel gemacht hat: "Natürlich gibt es vieles, das beim Film noch nicht ideal läuft - auf den professionellen Filmsets wie auch bei uns." Die Schule sei aber im regen Austausch mit den Studierenden und nehme deren Engagement ernst. "Bei gewissen Dingen, wie den Investitionen in nachhaltigere Transportfahrzeuge oder Technik, dauern die Prozesse einfach etwas länger. Auf Studierende, die nur drei Jahre bei uns sind, wirkt das natürlich langsam."

Vieles passiere auch eher auf der individuellen Ebene, beim direkten Mentoring. Sowie auch im neuen Nachhaltigkeitsseminar, das auf alle Fälle weitergeführt werden soll. Man sei aber auch darauf angewiesen, dass sich die neuen Prozesse und Standards in der professionellen Schweizer Filmwelt überhaupt etablieren, bevor man diese vermitteln kann.

Nachhaltigkeit ist Thema Nummer eins

Für einen proaktiveren Zugang hat sich die Hochschule Luzern HSLU entschieden. Nachdem dem Filmdozenten Florian Krautkrämer aufgefallen war, dass sich bei vergleichbaren Angeboten in Deutschland, "wo man in dieser Thematik weiter ist", immer mehr Leute aus der Schweiz einschreiben, überzeugte er die HSLU, als erste Schweizer Institution eine Weiterbildung zum "Green Consultant" anzubieten. Das ist jemand, der oder die eine Filmproduktion von der Planung über die Dreharbeiten bis zum Schnittprozess und der Bilanzierung begleitet und schaut, wo ökologische Einsparungsmöglichkeiten bestehen.

"Der Green Consultant ist kein Polizist, der den Stecker zieht, wenn eine Lampe zu viel Strom verbraucht, sondern ein Berater, der die Leute auf dem Set unterstützen soll." Obwohl der Kurs an der Schule selbst nicht offensteht, hofft Krautkrämer auf eine gewisses Durchsickern der Ideen aus dem Weiterbildungsangebot in den normalen Hochschulbetrieb.

Dass das Interesse in diesem Bereich enorm sei, sieht er, wenn in seinem Interdisziplinaritätsmodul über den Themenfokus diskutiert wird: "Das Thema Nachhaltigkeit steht immer mit Abstand auf dem ersten Platz. Es interessiert die Studierenden extrem, sie engagieren sich und machen sich Gedanken. Die sind da schon viel weiter als wir."

*Dieser Text von Dominic Schmid, Keystone-SDA, wurde mithilfe der Gottlieb und Hans Vogt-Stiftung realisiert. (sda)