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Tanz im Luzerner Theater

Spionagethriller als Tanzstück? Und wie das funktioniert!

TanzLuzern zeigt bei «Next Matters» im UG des Luzerner Theaters Tanzlust in vier Stücken und auf vier Arten. Wir empfehlen: Abtauchen und geniessen!

Szene aus «Next Matters» im UG des Luzerner Theaters.
Bild: Bilder: Ingo Höhn / PD

London, Berlin, Luzern? Dieser Untergrund könnte überall sein. Stockdunkel ist’s, bis etwas Licht auf vier Gestalten fällt. Sie sind gesichtslos, tragen gräuliche Kleider. HELP, funkt es herein, Hotel Echo Lima Papa. Eine detektivische Lampe offenbart: Die Gestalten bewegen sich auf einem Bett, unter dem ein Spion oder Maulwurf, auf Englisch «Mole», lauscht.

Das Spionagestück nach dem britischen Bestsellerautor John le Carré hält die Spannung bis zum Schluss. Es entwickelt sogar zusätzlichen Drive: Die fünf Darstellenden zeigen Gesicht und verbinden sich zu wechselnden Gespannen. Ihr Bett auf Rollen wird zur eigenen Bühne, die immer schneller dreht. Sie habe das Bett zuhinterst in der Theaterwerkstatt gefunden, sagt Choreografin Phoebe Jewitt. Sie möge Möbelstücke, die allen vertraut vorkämen. Durch die Rollen verliere es zwar Komfort, diene aber der Psycho-Spionage-Sache.

Einzigartig ist auch ihr Schweizerdeutsch

Überhaupt ist Phoebe Jewitt kaum zu bremsen. Die Tänzerin des TanzLuzern-Ensembles hat nebenher eine Compagnie gegründet: PITT. Damit gewann sie letztes Jahr Preise wie «Copenhagen Choreography Competition Winner», «BOOM Festival Award», «Teatro Biblioteca Quarticciolo Award». Diese haben wiederum kleine Tourdaten in Südostasien zur Folge. In der Zone, auf den Philippinen und in Indonesien, wuchs die Tochter eines Geologen und Amateurfunkers auf. In der Schweiz besuchte sie das Gymnasium und bildete sich am Opernhaus Zürich (Ballett) wie an der Zürcher Hochschule der Künste (Contemporary Dance) aus. Entsprechend einzigartig ist auch ihr Schweizerdeutsch.

Wie Schwäne im Vierwaldstättersee

Vier Stücke zeigt TanzLuzern bei «Next Matters» im UG vor höchstens 50 Zuschauerinnen und Zuschauern. Inhaltlich und formal gab es für die jungen Tänzerchoreografen keine Grenzen. Wie eine Privatvorstellung mutet das Solo von Zhiyelun Qi für Grazia Scarpato an. Die Hospitantin malt bezaubernde Bewegungen in dem Raum. «Farbe» bedeutet im chinesischen Buddhismus offenbar «Form» in vieler Hinsicht, welche hier in Fluss gebracht werden.

Szene aus «Next Matters» im UG des Luzerner Theaters.

Mathew Prichard bietet einen achtminütigen Film mit interessanten Effekten. Im Walisischen steht «Hiraeth» für Heimweh, Sehnsucht nach Orten und Erlebnissen. Wie Schwäne bewegen sich zwei Tänzerinnen im Vierwaldstättersee, die Landschaften im Hintergrund sind verschwommen, weit entfernt und doch so nah. Die Darstellerinnen betanzen auch Wiesen und Spielplätze. Und wenn sie nicht zu sehen sind, bewegt sich die intuitive Kamera des britischen Tänzers.

Tuch verwandelt sich in Springseil

Nochmal ganz anders kommt «Chuzpe» von Dario Dinuzzi daher. Der Choreograf verwickelt Haupttänzer Igli Mezini in urkomische Situationen. Dessen überdimensionales Betttuch wird auf einmal lebendig. Traum oder Wirklichkeit auch die Tänzerinnen, die um ihn herumrüschen und -rauschen? Der Romantiker geniesst einfach, lässt sich mitreissen, als sich das riesige Tuch in ein Springseil verwandelt: «Hope is a Rope!», freut er sich. Zur italienischen Burleske für fünf Tanzende dringt echter Zigarettenrauch ins UG. Der Lüftungsschacht zum Trottoir draussen macht das olfaktorische Element möglich. Ein passender Zufall an diesem stimmungsvollen Abend.

Szene aus «Next Matters» im UG des Luzerner Theaters.

«Next Matters» von TanzLuzern im UG: nächste Vorstellungen ab 23. November, www.luzernertheater.ch

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