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Rauchen ist reif fürs Museum – also nicht mehr tauglich fürs Leben?  

Der blaue Dunst nebelt seit bald vierhundert Jahren durch die europäische Gesellschaft und die Kunstgeschichte. Nun, da das Rauchen aus dem normalen Leben verbannt wird, bekommt es eine museale Würdigung. 

Wer malt, der raucht. Einer der grossen tschechischen Maler, Bohumil Kubišta, Selbstporträt 1910.
Bild: Nationalgalerie Prag

Rauchen Sie? Noch? Dann sind Sie ein Fall von vorgestern. Denn rauchen geht gar nicht mehr, selten ist etwas geächteter als die letzten überlebenden Paffer. Ab warum eigentlich sie? Ungesund ist ja noch vieles. Man könnte auch Schoggisüchtige und Weinliebhaberinnen mit Verboten, abschreckenden Bildern und steigenden Steuern drangsalieren. Aber nein, solche Kampagnen werden nirgends sonst geritten – weltweit.

Dabei war Rauchen bis vor 25 Jahren normal. Überall wurde gepafft: im Zug und Flugzeug, bei Diskussionen am Fernsehen wie bei Arbeitssitzungen, im Film selbst im Bett und auf der Theaterbühne sowieso. Klar, war der blaue Dunst auch in der Kunst ziemlich präsent – zumindest seit 1700.

Die Geschichte begann in Peru

Geraucht wird in Europa nämlich nicht schon seit der Antike, sondern erst seitdem die spanischen Eroberer den Tabak aus Amerika nach Europa mitgebracht haben. In Peru dagegen wurde schon 3000 vor Christi geraucht, auch die Mayas, Azteken und manche indigene Völker Nordamerikas nutzten den Tabak – man denke nur an die legendäre Friedenspfeife in alten Indianergeschichten.

Als erste europäische Raucher gelten übrigens Luis de Torres und Rodrigo de Jerez, Mitglieder von Columbus’ Besatzung, die erstmals am 6.November 1492 in Kuba den Rauch von Tabakpflanzen inhaliert haben sollen. Im Mutterland kam das nicht gut an: Die spanische Inquisition steckte de Jerez wegen Rauchens zehn Jahre ins Gefängnis. Immerhin, so weit sind wir nicht wieder.

Tabak als Heilmittel - auch gegen Asthma

Im 16. Jahrhundert galt Tabak als Heilmittel gegen Asthma (!) und Schmerzen, und Caterina de’ Medici soll durch Nicotinia von ihrer Migräne geheilt worden sein. Bald wurde Tabak – wie Kaffee und Schokolade – zum Genussmittel. Seit dem Barock gehören Trinken und Rauchen zusammen. Keine Beizenszene in der niederländischen Malerei kommt ohne den malerischen, blauen Pfeifendunst aus. Doch rein blieb der Tabak nicht: Die Europäer entdeckten auch Cannabis, Hasch und Opium. Charles Baudelaire, der Dichter des Dunklen, den mein rauchender Französischlehrer einst nur als débauché (Wüstling) herabwürdigte, gehörte in Paris zum Hashishclub und publizierte 1860 sein Essaybändchen «Les Paradis artificiels», das unter dem Titel «Wein & Haschisch» bis heute erhältlich ist.

Rauchen war Inbegriff der Moderne

Doch zurück zum harmlosen Tabak. Der wurde um 1900 zum In-Gadget. Ob Pfeife, Zigarette oder Zigarre: Wer modern und mondän war, der rauchte. Zumindest die Männer. Rauchende Frauen galten als Prostituierte – ausser wenn sie im Damenkränzchen der besseren Gesellschaft räuchelten oder in den 1920er-Jahren ihre neuen Freiheiten demonstrierten: Kurze Haare und Röcke passten bestens zu den langen Zigarettenspitzen. Und die Herren Maler zeigten sich in ihren Selbstbildnissen (fast) nie ohne Zigarette.

Der Inbegriff des Dandy: der rasende Reporter und Schriftsteller Egon Erwin Kisch, 1910 gemalt von Ernst Ascher.
Bild: Sabine Altorfer

Woher ich das alles weiss? Ausgerechnet die National­galerie Prag hat dem Rauchen in der Kunst und Kulturgeschichte eine kurzweilige Ausstellung gewidmet. Titel: «V kroužcích dýmu: Portrét moderního umělce» (Inmitten von Rauchkringeln – Porträts moderner Künstler). Mit Sinn für Ironie hat man die Bilder diskret in Nischen und hinter Vorhänge gehängt, denn in Tschechien ist Rauchen in öffentlichen Räumen nach dem Muster der EU geächtet. Auch wenn die Beizen die Raucherinnen und Raucher erst 2017, als allerletzte in Europa, an die Luft setzen mussten. Wenn nun stattdessen Zigaretten, Pfeifen und der blaue Dunst in der National­galerie verhandelt werden, kommt einem unweigerlich der Satz des Schriftstellers Alphonse de Lamartine in den Sinn: «Museen sind Friedhöfe für die Kunst». Und Raucher-Dinosaurier also ein Fall fürs Museum?

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