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Serie «Elternzeit»

«Paavo, denk, bevor du sprichst!» – und was Paavo Järvis Mutter noch alles zu ihrem heute weltberühmten dirigierenden Sohn einst sagte

Der Dirigent Paavo Järvi, der musikalisch von seinem berühmten Vater geprägt wurde, spricht über seine Mutter und sagt, welchen Satz er von Liilia oft gehört hat.

Liilia und Sohn Paavo Järvi.
Bild: Alberto Venzago / Tonhalle

Was ist Ihre erste Erinnerung an Ihre Mutter?

Meine erste Erinnerung ist, wie sie immer sagte: «Kinder, seid bitte ruhig. Ihr müsst leise gehen und leise sprechen. Der Vater schläft.» Das hat er immer am Nachmittag vor den Konzerten gemacht, das war ein Ritual. Die Ermahnung reichte für gerade mal zwei Minuten, dann kam das «Psst» wieder. Und so ging das tagelang, monatelang, bis wir es dann verstanden.

Was konnte Ihre Mutter besser als Ihr Vater?

Mein Vater war 200 Prozent Musiker, meine Mutter hat alles andere besser gemacht. Die Verantwortung für die Kinder, Schulen, Einrichtung, welche Farbe die Wände hatten – einfach alles andere. Sie war auch diejenige, die entschied, Estland zu verlassen.

Welchen Satz haben Sie von Ihrer Mutter oft gehört?

«Denke, bevor du sprichst» – ich habe das nie gelernt (lacht).

Welchen Satz hätten Sie von Ihrer Mutter früher gerne gehört?

Sie hätte strenger sein sollen, als ich Klavier lernte. Sie meinte immer ganz nachsichtig, wenn du es nicht willst, dann ist es gut so. Sie hätte durchaus mehr insistieren dürfen. Aber als Kind ist das natürlich wunderbar.

Was hat Sie Ihre Mutter gelehrt über das Leben?

Nicht jeder um dich herum ist Dein Freund.

… über die Liebe?

Sie ist sehr liebevoll als Mensch. Auch heute noch gehen sie und mein Vater sehr liebevoll miteinander um und sind extrem loyal.

… über Geld?

Sie war unser Finanzchef. Vater hat das Geld verdient, Mama hat es «investiert». In der UdSSR war ja alles staatlich, da gab es nicht so viel zum investieren. Sie hat sich sehr weise verhalten. Mit Geld nicht herumschleudern, sparsam sein, das war ihr Ding. Sparsam sein, nicht verschwenderisch – so wurden wir erzogen. Das ist immer noch in meinen Genen.

Der Este Paavo Järvi vor seinem Tonhalle-Orchester Zürich .
Bild: Gaëtan Bally / Key

Welche schlechte Eigenschaft haben Sie von Ihrer Mutter übernommen, die Sie nie wollten?

Eine Art von Besessenheit. Ich muss die Details gut kennen, das ist tief in mir drinnen. Und ich muss mich immer wieder daran erinnern, dass es nicht so wichtig ist, alles in allen Details zu kennen.

Welche Eigenschaft haben Sie von Ihrer Mutter übernommen, für die Sie ihr dankbar sind?

Sehr detailorientiert zu sein. Daher führe ich ein sehr geregeltes Leben.

Was war das prägendste Erlebnis mit Ihrer Mutter?

Wir waren eines Tages im Auto unterwegs, ich war etwa zehn, mein Bruder eineinhalb Jahre alt. Wir waren in zwei Autos unterwegs. Die Kinder mit dem Vater, die Mama alleine hinter uns. Und da kam es plötzlich zu einem tragischen Unfall. Sie wurde aus dem Heckfenster geschleudert – Gurten gab es zu dieser Zeit nicht. Wir sahen das Auto meiner Mutter auf dem Dach, die Räder drehten sich noch. Die Diagnose war grauenvoll. Aber mit ihrem Willen hat sie sich in den vier Monaten im Spital wieder ins Leben zurückgekämpft.

Womit haben Sie Ihre Mutter am meisten enttäuscht?

Wahrscheinlich mit vielen Sachen – ich weiss es nicht, aber ich tat es sicherlich nicht mit Absicht.

Was hätten Sie Ihre Mutter noch fragen wollen, oder wollen Sie sie noch fragen?

Wir hatten viele Gespräche in unserem Leben und haben sehr offen über alle Themen gesprochen. Alles, was ich wissen wollte, habe ich gefragt. Vielleicht ein paar Details aus dem Leben meines Grossvaters – er war schon tot, als ich auf die Welt kam.

Hat das Verhalten Ihrer Mutter Sie motiviert, selber Vater zu werden?

Ich glaube nicht wirklich, dass ihr Verhalten mich motiviert hat, Vater zu werden. Ich wollte immer schon Kinder. Sie sind eine Bereicherung. Vielleicht hätte ich sie früher haben sollen und noch mehrere davon. Das tut mir etwas leid. Aber ich wollte immer zuwarten, denn Vater zu sein, bringt auch eine gewisse Verantwortung mit sich. Und ich glaubte, je mehr Lebenserfahrung ich hätte, umso besser wäre ich als Vater.

Welches Objekt/welchen Gegenstand verbinden Sie mit Ihrer Mutter?

Diesen einen Gegenstand gibt es nicht. Es ist mehr der Geruch eines Essens, der mich an die Kindheit erinnert und mich somit mit meiner Mutter verbindet. Dieses «etwas» riecht nach zu Hause, zum Beispiel an Weihnachten.

Konzerte in Zürich :
3. 11./18.30 Uhr TonhalleCrush: Järvi/ Sara Taubman-Hildebrand (Moderation)/Bruckner Sinfonie 3
4.11./19.30 Uhr; 5. 11./18.30 Uhr und 6.11/17 Uhr: Järvi/Janine Jansen: Bruckner, Messiaen, Bernstein

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