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Kunst

Niklaus Lenherr: Von einem, der auszog, seinen künstlerischen Nachlass zu organisieren

Was passiert mit den Werken verstorbener Künstler? Wer kümmert sich um deren Nachlass? Das macht am besten der Künstler selbst, findet Niklaus Lenherr (65). Und zwar zu Lebzeiten.

Niklaus Lenherr: Der Luzerner Künstler, den stets «das Schaffen von den Rändern her» interessiert, sortiert seit einigen Jahren seinen Nachlass in einem Lager in der Viscosistadt in Emmenbrücke.
Bild: Bild: Patrick Hürlimann (Emmenbrücke, 18. Januar 2023)

Die Fröhlichkeit dieser beiden Herren gleicht locker die Kälte des Kellerraums aus, in dem man sich gerade befindet. Der Anlass des Treffens in einem Lagerraum in der Viscosistadt in Emmenbrücke ist der Nachlass, besser gesagt der Vorlass des Luzerner Künstlers Niklaus Lenherr. Darüber zu berichten, wie Niklaus Lenherr zusammen mit Albert Schnyder seinen Kunstbestand sortiert und reduziert, lohnt sich – denn das Thema Künstlernachlass ist seit geraumer Zeit nicht ohne Grund in aller Munde.

Gibt es doch seit Jahrzehnten immer mehr Künstler – und somit auch Kunstwerke. Und irgendwann werden diese Werke zu Hinterlassenschaften. Was tun mit diesen Hinterlassenschaften? Wer entscheidet darüber? Die einen sagen, das sei Sache des Künstlers. Künstler sollten ihre Werke zu Lebzeiten zu einem sogenannten Vorlass gruppieren. Die anderen finden, es sei Aufgabe der Öffentlichkeit, also der Museen und Sammlungen, die Nachlässe von Künstlern für die Nachwelt zu bewahren.

Niklaus Lenherr hat sich 2015 entschieden, die Sache mit dem Nachlass beziehungsweise Vorlass selbst anzupacken. Unterstützt von Historiker Albert Schnyder. Mit diesen beiden befindet man sich nun im kühlen, rund 50 Quadratmeter grossen Kellerraum in Front zur HSLU Design & Kunst. Niklaus Lenherr, 65, und Albert Schnyder, 66, kennen sich seit 47 Jahren, seit ihren gemeinsamen Tagen in der Rekrutenschule in Fribourg 1976. «Seither sind wir Freunde», sagt Schnyder. «Ich bin durch Niklaus zur Kunst gekommen. Unser visuelles Interesse verbindet uns.»

Den Kunstbestand auf fünf Prozent reduzieren

Und nun also der Nachlass beziehungsweise Vorlass. Ein Projekt, dass die zwei Männer noch enger zusammenschweisst. Niklaus Lenherr auf der einen Seite, Eidgenössischer Preisträger für Freie Kunst 1993 und 1994, und von Kunstexpertin Sabine Altorfer auch schon mal der «Banksy der Baustelle» und «Spezialist für Installationen im Abseits und Nebenbei» genannt. «Blick-Lichter» hiess 2022 Lenherrs Ausstellung mit farbenprächtigen, geometrischen Kompositionen auf dem Parkplatz Himmelrichstrasse in Luzern. Und auf der anderen Seite Albert Schnyder, der sich von Berufs wegen mit Archivierung sehr gut auskennt.

Anders gesagt, mit den klassischen archivischen Aufgaben wie Sichten, Bewerten, Reduzieren, Kassieren (Vernichten), Dokumentieren. Zwischen 2015 und 2018 lud man auch wiederholt Bekannte und Freunde ins Lager ein, Kunsthistoriker, Künstlerinnen, Grafiker. «Das hat unseren Horizont extrem erweitert», erklärt Niklaus Lenherr. Nur fünf Prozent vom Kunstbestand Lenherrs sollen einmal zum Nachlass werden und in ein professionelles Lager kommen, das weniger feucht ist als der jetzige Raum. «Mehr geht nicht», findet Albert Schnyder. Und:

«Das Ziel ist die Reduktion auf ein Minimum.»

Auf dem Weg zu diesen fünf Prozent liegt aber nicht nur die Entscheidung zwischen Aufbewahren und Entsorgen, sondern auch die Möglichkeit des Verkaufens und Verschenkens von Werken. Und nach etlichen gefüllten Kehrichtsäcken, Schenkungen oder Verkäufen war man vergangenen Sommer bei 30 Prozent angekommen. Mit diesen 30 Prozent an Kunstbestand wurde im Spätsommer 2022 eine Ausstellung organisiert, in einem 450 Quadratmeter grossen Raum in der Viscosistadt. Mit ausgewählten Exponaten.

«Farbe macht Freude»: 2021 und 2022 heiterte Niklaus Lenherr Stadt und Region Luzern mit seinen geometrisch bunten «Covid-Bannern» auf. Kunstexpertin Sabine Altorfer nannte Lenherr auch schon mal einen «Banksy der Baustelle».
Bild: Bild: Patrick Hürlimann (Emmenbrücke, 18. Januar 2023)

Niklaus Lenherr und Albert Schnyder erzählen: «Diese Ausstellung hat Institutionen und Privatpersonen auf den Plan gerufen. Es konnten auch noch mal Werke verkauft werden.» Niklaus Lenherr, der über die Jahre mit seinen Installationen einige Werke schuf, die nach kurzer Zeit schon der Vernichtung anheimgegeben wurden, und der es mag, «von den Rändern her zu schaffen», ist der Ansicht:

«Es wurde noch nie so viel Kunst produziert wie heute. Man muss auch den jungen Künstlern Platz machen.»

Und dann fügt der 65-Jährige, der seine Kunstproduktion in den letzten Jahren bewusst runtergefahren hat, noch an: «Seinen Nachlass zu organisieren, hat mit Eigenverantwortung zu tun. Ein Künstler geht zwar nicht in den Ruhestand. Aber auch ein Künstler sollte selber aufräumen und das nicht den Nachkommen überlassen.»

Mehr Infos zum Künstler unter www.niklaus-lenherr.ch

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