Hoffentlich ist es kein schlechtes Omen, dass die neue CD der Festival Strings Lucerne gerade jetzt erscheint, wo die Corona-Fallzahlen wieder ansteigen und wir eingeladen werden, uns zu boostern. Denn aufgenommen wurde sie während des zweiten Lockdowns Ende Februar und Anfang März 2021 im gespenstisch leeren Konzertsaal des KKL Luzern.
Damit ist die CD ein weiteres Dokument dafür, dass das Orchester vom Hin und Her zwischen Lockdowns und wieder möglichen Livekonzerten jeweils als eines der Ersten betroffen war. Es nutzte den damals abgesagten Konzerttermin doppelt. Für die CD-Aufnahme und für einen der wenigen Livestreams aus dem KKL-Konzertsaal. Da gab es im Chat viele Bravos, insbesondere für Konzertmeister Daniel Dodds als Solisten in Mozarts «Haffner»-Serenade. Und mit den über 2000 Zuhörern, die sich in den Livestream einklickten, erreichten die Strings mehr Besucher als je in einem Livekonzert im KKL.
Das Orchester besinnt sich auf sein Kerngeschäft
Abgesehen von solch äusseren Umständen setzt die Aufnahme ein Zeichen in eigener Sache. Denn Festival Strings, die zunehmend in grösseren sinfonischen Besetzungen und meist mit Starsolisten auftreten, besinnen sich quasi auf ihr Kerngeschäft. Die Besetzung mit 35 Musikern ermöglicht zwar auch bei Mozart ein orchestral auftrumpfendes Klangbild. Aber im Vordergrund steht doch ein kammermusikalisches Musizieren, das an die Gründerjahre unter dem bedeutenden Geiger Wolfgang Schneiderhan erinnert. Darauf verweist explizit die heimliche Solistin.
Denn, es ist die erste Aufnahme, in der die Stradivari-Geige «Sellière» von 1680 solistisch zur Geltung kommt: Jenes Instrument, das einst Schneiderhan spielte und das den Strings 2019 von der Stiftung Monika Widmer als Dauerleihgabe zur Verfügung gestellt wurde. Damit hat auch diese Aufnahme ihren Star, nämlich Daniel Dodds, der mit dieser Geige einen grossen solistischen Auftritt hat. Darauf ist die Wahl des Werks, das Formen der Sinfonik, der Serenade und eben des Solokonzerts verbindet, zugeschnitten.
Der Konzertmeister mit expressivem Ausdruck
Schon im Livestream hörte man, wie Dodds das grosse Violinsolo im zweiten Satz mit expressivem Ausdruck wie für eine grosse Bühne spielt. Dodds steigert hier den Ton zu schwelgerischer Süsse, nimmt ihn aber in den übrigen Sätzen auch zu feinziseliertem Spiel, ja in einen flüsternden Sprechton ganz ohne Primadonnengehabe zurück. Das gibt die Gangart vor auch für das Orchester. Dieses trumpft zwar – schon im vorangestellten Marsch für einen Polterabend – mit sinfonischem Biss und Schwung auf. Aber es zeigt mit schlankem Barockton, wie weit es sich von der Tradition von Mitbegründer Rudolf Baumgartner entfernt und emanzipiert hat.
Nicht mehr als eine Zugabe zu dieser bezaubernden «Haffner»-Serenade ist ein Capriccio des Mozart-Zeitgenossen Vincenzo Righini, dessen betörende Hornromantik allerdings den beteiligten Bläsern einen Platz an der Sonne gibt.
Festival Strings Lucerne – Mozart: «Haffner»-Serenade (Sony)