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Saisoneröffnung

Luzerner Sinfonieorchester katapultiert 5000 Konzertbesucher aus der KKL-Komfortzone

Das Luzerner Sinfonieorchester öffnete im drei Mal vollen KKL Türen für die Zukunft: mit einer Generalprobe vor 1500 Jugendlichen, einem ungleichen Solistenpaar und einer Beethoven-Revolution.

Passend im feuerroten Kleid: Die Geigerin María Duenas war im Konzert vom Mittwoch Solistin in Dvoraks Violinkonzert.
Bild: Bild: Pius Amrein (19. Oktober 2022)

So klar hatte man die Antwort nicht erwartet, wie sie das Luzerner Sinfonieorchester am Mittwoch und Donnerstag in seinen Konzerten zur Saisoneröffnung gab. Da nämlich sass man in der Komfortzone des KKL-Konzertsaals wie im Schleudersitz, als Chefdirigent Michael Sanderling im Finale von Beethovens fünfter Sinfonie die letzten Schleusen öffnete.

Nochmals zog die Musik katapultartig an, als die Trompeten den Durchbruch in strahlendes C-Dur vergoldeten und tumultartig die Revolution feierten, der Beethoven 1805 wenigstens musikalisch zum Sieg verhalf.

Die bange Frage zuvor war: Würde Corona den Höhenflug des Luzerner Sinfonieorchesters stoppen? In der letzten Saison verzeichnete es – wie andere – bei den Besucherzahlen einen Einbruch von rund 20 Prozent. Vor diesem Hintergrund kam auch das Eröffnungspaket einer Revolution gleich – mit drei Konzerten, von denen eines ganz und zwei beinahe ausverkauft waren und die insgesamt knapp 5000 Besucher verzeichneten.

Junge Menschen im Saal und Kontinuität im Klub

Das scheint Intendant Numa Bischof recht zu geben. Er hatte vor zwei Jahren die Hoffnung geäussert, dass eine Pandemie langjährige Aufbauarbeit nicht zunichtemachen wird. So war es eine passende Geste, dass Bischof am Donnerstag Pierre Peyer Blumen zu dessen 20-jährigem Wirken als Präsident überreichen konnte.

Denn Peyer verkörpert wie Bischof selber ein langfristiges Engagement für das Orchester, das eine Grundlage für seinen Erfolg ist und im Vergleich zu den turbulenten Wechseln beim FC Luzern geradezu biblische Ausmasse erreicht.

Der Eröffnungsreigen begann am Mittwochmorgen mit einer Premiere der besonderen Art, einer öffentlichen Generalprobe dieser fünften Sinfonie vor 1500 Schülerinnen und Schülern im Konzertsaal, mit dem die Musikvermittlung des Orchesters eine neue Dimension erreichte (vgl. separaten Beitrag).

Das Populäre mit dem Reiz des Neuen verbanden die beiden Abendkonzerte, indem sie den Komponisten Antonín Dvorak mit Raritäten vorstellten. Dessen Violinkonzert (am Mittwoch) und Klavierkonzert (am Donnerstag) präsentierten zudem dankbar unterschiedliche Charaktere als Solisten.

Unterschiedliches Solistenpaar

Im Violinkonzert akzentuierte die junge Geigerin María Bueñas mit spanischem Temperament und rasch entflammbarem Geigenton die folkloristischen Züge. Tänzelte luftig-leicht und mit funkelndem Feinschliff durch Doppelgriffpassagen und hielt selbst in ruhevollen Höhenflügen die Dauerspannung aufrecht. Zauberei auch, wie sie in der Zugabe die gitarristischen Effekte von Francisco Tárregas «Recuerdos de la Alhambra» über die Saiten der Violine auffächerte.

Der Schweizer Pianist Francesco Piemonesi gab in Dvoraks Klavierkonzert eine intimere Visitenkarte ab. Dass ihm alle Mittel zur Verfügung stehen, zeigte er in der Kadenz des ersten Satzes, in der er vollgriffiges Pathos virtuos erhitzte und zu mystischer Ruhe verklärte. Zu dieser fand er, bei allem romantischen Überschwang des Werks, immer wieder und ereignishaft zurück - und verlängerte sie mit Schuberts Impromptus in Ges-Dur bis in die Zugabe hinein.

Chefdirigent Michael Sanderling dirigiert das Luzerner Sinfonieorchester.
Bild: Bild: Pius Amrein (19. Oktober 2022)

Auch wenn Piemontesi und das Orchester sich in der Versenkung wie im spritzigen Finale dicht verwoben: Das stärkste Zeichen für die Zukunft des Orchesters setzte - zum Abschluss beider Konzerte - Beethovens fünfte Sinfonie. Da zeigte sich, dass es für den angestrebten Weg in die Grosssinfonik neben grösseren Besetzungen einen Chefdirigenten braucht, der wie Sanderling einen Klang mit «mehr Saft» formen kann.

Wie in früheren Dirigaten zeigte er auch in dieser Fünften, das das bereits bei Beethoven beginnt. Die Aufführung bewahrte zwar mit wunderbaren Soli, überraschend modellierten Details und einer Pianissimo-Magie wie von einem Streichquartett die Vorzüge eines Kammerorchesters, das das Orchester einst war. Aber der von den Bässen mächtig grundierte Klang wies von Beginn weg auch weit darüber hinaus.

Zu titanischer Grösse wuchs der «Lärm», für den Beethoven erstmals Posaunen hinzuzog, nicht nur durch triumphale Klangsteigerungen an, sondern auch durch eine Tempogestaltung, die ebenso stürmische Dramatik wie breites Pathos zuliess. Als Dank für den begeisterten Applaus spielte das Orchester als Zugabe das Intermezzo aus «Cavalleria rusticana». Auch das ein Novum an einer Saisoneröffnung, die insgesamt Tore zur Zukunft öffnete.

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