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Freilichtlichtstück «Weg von hier»

Kafka unter dem nächtlichen Himmel: Die Angst vor dem äusseren und dem inneren Feind

In seinem neuen Projekt in Meggen verarbeitet Livio Andreina Kafka-Texte zu einem Freilichtspiel: Es ist tiefsinnig, teils absurd-komisch, aber immer unterhaltsam.

Giorgina Hämmerli, Michael Wolf und Patrick Slanzi (von links) harmonieren brillant miteinander und machen das Stück zum sinnlichen Erlebnis.
Bild: Bild: Sepp de Vries

Der Bach rauscht leise, fliesst in den nahen See, Perkussionsspiel (von Markus Lauterburg) ertönt, langsam erscheinen drei Gestalten in silbernen Jacken aus dem entfernten Gebüsch und schreiten über das kleine Gewässer hin zum Publikum. Bereits der Beginn des spätherbstlichen Freilichtspiels «Weg von hier» im Megger Seeacher erzeugt eine Wirkung, die die Zuschauerin oder den Zuschauer schnell in den Bann zieht. Die mystische Uferumgebung und die besondere, klare Novembernachtatmosphäre tun ihr Übriges. Sofort ist man drin in diesem Schauspiel von Livio Andreina (Werkstatt für Theater in Zusammenarbeit mit dem Kleintheater Luzern) an diesem kühlen, aber trockenen Premierenabend am Mittwoch.

Woher die Gefahr kommt, weiss er nicht so genau

Im Zentrum der Inszenierung steht der Monologtext aus Franz Kafkas «Der Bau». Die drei Schauspielenden Giorgina Hämmerli, Michael Wolf und Patrick Slanzi tragen ihn gekonnt vor – meist abwechselnd, manchmal im Chor. Sie spiegeln den paranoiden Wahn dieses einen, tierähnlichen Wesens, welches sie darstellen, und das sich wie ein Prepper in seinem Schutzbau verbarrikadiert: «Es sind nicht nur die äusseren Feinde, die mich bedrohen, es gibt auch innere.» Zwar weiss dieser Protagonist nicht genau, wer oder was der Feind ist und wo genau er lauert, aber in Gefahr wähnt er sich andauernd. Nur manchmal wagt er sich aus seinem Bau.

So wird in einer entsprechenden Szene in der Mitte des Stücks eine erfolgreiche Jagd dargestellt. Das erlegte Wild wird wie eine Puppe bewegt, ehe die drei Spielenden sich zärtlich zum toten (Stoff-)Tier legen. Ein gutes Exempel für diese sinnliche, dichte und bildstarke Umsetzung des Kafka-Stoffes, in der viel Absurdes mit drin steckt.

«Weg von hier» ist eine sehr sinnliche und bildstarke Inszenierung.
Bild: Bild: Sepp de Vries

Noch mehr von Letzterem vermittelt Andreina durch mehrere Intermezzi, basierend auf weiteren Kafka-Texten. Ein seltsames Liebestreffen, ein wirklich tolles Puppenspiel oder die immer wieder gelungene Verwendung natürlich vorhandener Requisiten machen diese Produktion zum kurzweiligen Augenschmaus mit Tiefgang. Es empfiehlt sich sehr, der abendlichen Kälte zu trotzen und mit Andreina in diese kafkaeske Welt einzutauchen.

Das Puppenspiel-Intermezzo ist dem Team um Regisseur Andreina äusserst gelungen. 
Bild: Bild: Sepp de Vries

Weitere Aufführungen bis 26. November. Infos und Tickets unter www.werkstatt-theater.ch und www.kleintheater.ch

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