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Tatort-Kolumne

Idyll ohne Gnade: Ein «Tatort», der wieder mal alle tröstet, die sich kein Eigenheim im Grünen leisten können

Familientragödie im Schwarzwald: Wieso schweigt die «zugezogene» Ehefrau und Mutter zum Verschwinden von Mann und Sohn?

«Tatort» Schwarzwald: Die Blicke der Anderen. So, SRF 1, 20.05.
Bild: Bild: Das Erste

Diese Familientragödie aus einer Kleinstadt im Breisgau könnte einem Lehrbuch für Heiratswillige entnommen sein: Nie cholerisch werden, nie um Geld streiten und nie Ehebruch begehen. Wobei der Ehebruch hier mit einem jähzornigen Ehemann erklärt wird, der sich mit seinem Ex-Kompagnon um Millionen zofft und so seine Frau in die Arme eines anderen treibt. «Nur verletztes Ego», ist einer der wenigen Sätze, mit denen Sandra Vogt den Kommissaren Tobler und Berg (Eva Löbau und Hans-Jochen Wagner) ihren verschwundenen Ehemann beschreibt.

Mit dem Mann verschwunden ist der kleine Sohn, im Schlafzimmer lassen blutige Laken auf ein Verbrechen im Affekt schliessen. Die verdächtige Ehefrau redet wenig und ist verschlossen. Die preisgekrönte Schauspielerin Lisa Hagmeister, seit 2006 festes Ensemblemitglied des Hamburger Thalia Theaters, füllt ihre tragende Rolle eindrücklich aus, gibt dieser Frau und Mutter, einer «Zugezogenen», aber ein über weite Strecken so verstocktes Gesicht, dass der Film das Gegenteil von dem erreicht, was er ganz offensichtlich will: diesen verschlossenen Freigeist zum Sympathieträger zu machen.

So ein Freigeist aus der Fremde hat es schwer im kleinen Nest im Schwarzwald, wo am Wochenende die Schwiegermutter das schmucke Einfamilienhaus im Neubaugebiet einfach aufschliesst, um Obst vorbeizubringen und als Erstes empört sagt: «Schlafet die noch alle...».

Das mag klischiert sein, hat aber auch was Realistisches, genauso wie der oft gesagte Satz «D`Sandra isch halt d`Sandra», über jemanden, den man nicht mag, aber keine Argumente dafür hat. Ein «Tatort», der wieder mal alle tröstet, die sich kein Eigenheim im Grünen leisten können.

«Tatort» aus dem Schwarzwald: «Die Blicke der Anderen». Sonntag, 6. November 2022, SRF 1, 20.05. Wir geben vier von fünf Sternen.

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