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Tierisches Leben

Ich wär' so gern ein Panzernashorn

Unsere Kolumnistin plädiert für Sympathie mit dem verrufenen Panzernashorn. Seine Tage sind angezählt. Und was steckt im Innern eines Panzers? Oft ist es tatsächlich ein Mensch.

Schon als junges Tier gut geschützt: ein Panzernashorn.
Bild: Keystone

Es gibt nichts Strittigeres als Panzer. Panzer ja? Panzer nein? Wer, wann, und wie viele? In diesen Tagen bin ich ein Panzernashorn. Ich stecke in der natürlichsten Rüstung, die jemand erfunden hat und renne dem Grauen entgegen. Das Horn nach vorn. Blindwütig im gestreckten Galopp. Ich bin zwei Tonnen schwer, ich schaffe volle 60 Stundenkilometer. Achtung, jetzt komme ich, es gibt keine Schonung. Nur Tote. Ich bin das Panzernashorn, ich bin die Wut. Ich bin wütend auf alles, was ich sehen, aber nicht verstehen kann.

Doch nichts ist gewonnen mit purer Emotion. Wut ist ein schlechter Berater. Wenn unsereiner dieses Jahrhundert überlebt, sterben wir im nächsten aus. Unser Schicksal ist besiegelt. In freier Wildbahn gibt es von uns noch rund 2750 Exemplare. Die Tage sind angezählt. Denn unser Horn ist wertvoller als Gold.

Mit uns verschwinden die letzten Alten dieses Planeten. Wie die Elefanten und die Flusspferde sind wir die Überlebenden der Gruppe der Megaherbivoren, der riesigen Pflanzenfresser, die die Naturlandschaft wesentlich gestaltet hat. Megaherbivoren haben die Landschaft für den Menschen erst urbar gemacht.

Und, wer hat’s gewusst: Was wie ein Panzer aussieht oder wie eine Ritterrüstung, ist nichts anders als Haut. Zwei grosse Hautfalten hinter den Vorderbeinen und zwei vor den Hinterbeinen. Vertikale Falten am Gesäss. Mein Panzer ist Haut in Falten und Haut mit Narben, die Nieten gleichen. Mein Körper scheint festgeschnallt in eine Metall-Rüstung. Dabei ist die Haut kaum dicker als 4 Zentimeter, im Bauchbereich und dort, wo die Falten sind, ist sie sogar erheblich dünner und weich.

Es gab einmal Kriegselefanten, Hannibal zog mit ihnen 216 vor Christus über die Alpen. Kriegsnashörner existierten nie. Denn obwohl ich gepanzert scheine, bin ich für die Schlacht nicht ausgerüstet, ich sehe mordsmässig mies. Die schlechte Laune, für die ich bekannt bin, hat auch mit meinen schlechten Augen zu tun. Den Feind erkenne ich nicht wirklich, ich muss ihn wittern oder schmecken. Also presche ich manchmal kopflos los – ins Kraut und ins Leere.

Auf anderes bin ich stolz: Albrecht Dürrer hat mich gemalt. Nicht mich, sondern Ulysses, den bedauernswerten Verwandten. Bedauernswert war er deshalb, weil der Kollege im Januar 1515 vom Gouverneur von Portugiesisch-Indien in Goa in Richtung Lissabon verschleppt wurde, dort in der königlichen Menagerie von Manuel, I. eingesperrt war – und schliesslich bei einem Schiffbruch auf der Überfahrt nach Rom elendiglich ersoff. Ganz Europa sprach von Ulysses. Bis nach Deutschland drang sein Ruf. Wer weiss, ob sein Tod nicht eine Gnade war, was hätte ihn erwartet? Kriege!

Aber für den Krieg bin ich nicht gemacht. Ich bin ein sensibles Tierchen. Ich verzichte auf Fleisch, mümmle am liebsten an einem Grashalm, nehme ein Schlammbad und geniesse den Frieden. Wenn man mich lässt. In einem Panzer steckt oft ein weicher Kern, um nicht zu sagen, steckt ein Mensch.

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