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Tierisches Leben

Ich wär’ so gern ein Glühwürmchen – eine Antwort auf die drohende Energiekrise

Der Wurm ist eigentlich ein Käfer, und dieser hat die Antwort auf die drohende Energiekrise. Unsere  Kolumnistin fordert diese Woche mehr Aufmerksamkeit für das Glühwürmchen. 

Gibt es in unseren Breitengraden ein unabhängigeres Tier als das Glühwürmchen? Gibt es nicht.
Bild: zvg

Alles ist besser, als ein Experte zu sein. Das denkt man sich angesichts der Schwemme von Fachgrössen, die sich eines Vermehrungsquotienten rühmen, dass es einem schwindlig wird.

Wer jetzt noch einen Funken Ehre im Leib’ hat, hält dagegen und weigert sich dazuzugehören: zu den Experten des Ukraine-Kriegs, den Expertinnen von Covid, der Fachfrau zur Klima­erwärmung, zu den Koryphäen der Nachhaltigkeit. Und den Spezialisten der Achtsamkeit auch.

Ich wär’ so gern ein Wurm. Unscheinbar, doch mit einem inneren Talent, das so einleuchtend ist, dass sich meine Umwelt die Augen reibt, wenn man mich nächtlich antrifft. Ein Ah und ein Oh geht durch die Dunkelheit, wenn man mir begegnet. Ich bin eine strahlende Erscheinung und blinke poetisch im Stillen. Ein Wurm mit Strahlkraft, das wäre was! Und gibt es in unseren Breitengraden ein unabhängigeres Tier als das Glühwürmchen? Gibt es nicht.

Wenn ich ein Glühwürmchen wäre, würde ich mein eigenes Licht erzeugen, ohne von der Sonne angestrahlt oder aufgeladen zu werden. Ich wäre effizienter als die neuste LED-Leuchte. Als glühender Wurm stelle ich jede Glühbirne in den Schatten. Das Glühwürmchen ist eine autarke Lichtmaschine.

Das Geheimnis steckt im Hinterleib, und auch diesen Gedanke finde ich reizvoll. Als Mensch hat man mit seinem Hinterteil, vor allem wenn es weiblich ist, oft seine liebe Mühe. Ist es richtig, wie es ist? Als Glühwürmchen erübrigt sich das Grübeln. Im Gegenteil, erst das Hinterteil macht aus mir das Wunder, das ich bin. Um meinen Po würde man mich beneiden, denn dort stecken meine fabelhaften, meine mirakulösen Licht­organe. Biolumineszenz heisst das Geheimnis, und man muss es nicht verstehen: Anders als die Phosphoreszenz oder der Fluoreszenz braucht meine Technik kein Sonnenlicht.

Als Wissenschafter versuchten, die Struktur meiner Lichtorgane nachzubauen, waren selbst sie verblüfft: Die Intensität des Lichts soll angeblich mehr als die Hälfte grösser gewesen sein, als jene des weltintensivsten Leuchtmittels. Ich bin ein einziger Leuchtkörper. Ich blinke und singe mit Licht durch die Nacht. Dabei stehe ich unter Artenschutz, und auch das ist ganz nett. Von den unsrigen gibt es in der Schweiz nicht mehr viele, und jährlich sind es weniger.

Natürlich ist das Glühwürmchen kein Wurm. Es gilt bloss als solcher, da es die meiste Zeit seines Lebens, lange drei Jahre, im Stadium der Larve dämmert. Im nächsten Stadium, nach der Verpuppung, bin ich ein schwarzbrauner Käfer. Und so gar nichts an Glamour, Glanz und Gloria deutetet darauf hin, was wirklich in mir steckt.

Nur ich wüsste es und würde es keinem verraten: Als Selbstversorgerin in Energiedingen stehe ich über allen Herrschern dieser Welt. Putin kann mich mal, und auf Nordstream pfeife ich. Ich bin das Licht.

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