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Filmserie (5)

Heiterer Spielfilm über das Soldatenleben

"S'Margritli und d’Soldate" von August Kern, ein heiterer Spielfilm über das Soldatenleben, geht heute gar nicht mehr, findet die Autorin. Sie hat das 1941 veröffentlichte Werk mit ihren rund 80-jährigen Eltern geschaut.
Bild: Keystone/PHOTOPRESS-ARCHIV/STR

Romantisches Zmittag im Freien. Ein Soldat hantiert mit einem Spritzsack - mit Rahm schreibt er "Gritli" auf eine übergrosse Zwetschgenwähe. Es wird viel gelacht, man foppt sich ein bisschen, und dann kommt der Pöstler und bringt den Kameraden Briefe. Die Sonne scheint, und es riecht irgendwie nach Friede, Freude, Früchtekuchen.

Das Gegenteil ist der Fall. Wir schreiben das Jahr 1940, die Männer in Uniform sind Soldaten, die an die Grenze abkommandiert wurden, und die Lage ist ernst: Die Schweiz von Achsenmächten umringt, die Bevölkerung verunsichert, einmal findet ein Luftangriff statt, und einer der Protagonisten stirbt. Aber das kommt erst später, jetzt hat zuerst einmal Marguerite - "Gritli" auf dem Kuchen - Geburtstag, und das will gefeiert werden.

Ich schaue mir den Film mit meinen Eltern an, beide um die 80, und ich bin froh, dass auch sie, die in der Zeit, in der der Film spielt, geboren worden sind, zuerst ein wenig irritiert, dann verwirrt und am Schluss etwas konsterniert sind.

Wir streamen auf dem Laptop meiner Mutter, und ich werde schon in den ersten Minuten nervös: Der Ton! Man versteht kein Wort von den Dialogen. Die Lautstärke, so denke ich, kann ich nicht mehr höher drehen, na super, ein Schwarzweiss-Stummfilm. Da unten an der Leiste ist noch ein Regler, sagt meine Mutter, und ich so: Nein, nein, das ist die Qualität des alten Films! Doch, schau! Und dann: Tatsächlich. Sie dreht den Ton auf, und man hört plötzlich alles sehr gut.

Jetzt singen die Soldaten zusammen das Margritli-Lied. Es ist Abend geworden im Westschweizer Dorf und die Kompanie ist zum "Cerf" marschiert - der Beiz, in der die Wirtstochter Marguerite lebt und arbeitet und allen Soldaten eine Freundin ist, wie es den Anschein macht. Meine Eltern singen lauthals mit. Und ich eher so ein bisschen verdattert. Warum kennt ihr dieses Lied? Na, das kennt man eben. Das sind die Geschwister Schmid! Und daneben, der sexy Herr: Teddy Stauffer, eine Schweizer Jazz-Grösse. Okay.

Was soll das alles?

"S'Margritli und d'Soldate" von August Kern reiht sich ein in eine Reihe von patriotischen Filmen. Und weil die Situation beklemmend (Krieg) und das Leben der Soldaten dann doch eher ereignislos war, holte man heitere Musiker, um dem Ganzen den komischen Dreh zu verleihen, den die ansonsten fade Geschichte dringend brauchte.

Weil das die pfiffigen Papier-Margeriten, die beim Geburtstagsständchen auftauchen, allein nicht zustande gebracht hätten, übernehmen die Musikerinnen - das Trio Geschwister Schmid: Klärli, Werner und Willy, waren zu diesem Zeitpunkt schon ein bisschen bekannt. Der Auftritt legte aber den Grundstein für ihre Karriere, in der sie mit dem Gassenhauer "Stägeli uf Stägeli ab" grosse Erfolge feiern sollten. Auch Teddy Stauffer war schon eine Art Star. Das Lied, im Film eigens für die Titelfigur geschrieben, wurde ein Hit.

Es scheppert immer mal wieder aus dem Laptop heraus, aber eigentlich ist die Story nach einer Viertelstunde gelaufen. Trotzdem schauen wir weiter. Weil uns wunder nimmt, was es mit dem Margritli auf sich hat. Nichts, eigentlich, sie wird manchmal eingeblendet, wie sie freudig winkt, den Hauptmann tröstet oder den Annäherungsversuch von Soldat Nöldi mit zwei Ohrfeigen abwehrt, im Keller, als sie Wein holt. Was ihre Funktion ist (Deko), und ob sie sich dann in einen Soldaten verliebt (nein).

Vor allem aber kommt uns die Geschichte bekannt vor. Tatsächlich wurde eigentlich der Stoff im Rahmen der Geistigen Landesverteidigung nur ein Jahr später noch einmal verfilmt - Gilberte de Courgenay war Ersatzmutter, Anlaufstelle und patriotische Kultfigur im Jura, wieder für Soldaten, nur spielte das Ganze dieses Mal im Ersten Weltkrieg. Das Lied in Franz Schnyders Film wurde genau so bekannt.

Lachen "wäg jedem Seich"

Zurück zu Marguerite und den Soldaten (ich schaffs nicht, eine Frau mit dem sächlichen Artikel zu nennen). Ihr Lied wird später noch einmal gespielt, auf Französisch dieses Mal und noch etwas jazziger. "Me muess das Meitli jo gern ha", sagt der Hauptmann einmal. Der Hauptmann: Meine Eltern vermuten, dass das ein Fake ist, wie er trotz seines militärischen Grades mit seinen Soldaten am Stammtisch des "Cerf" sitzt und mit ihnen Wein trinkt. Im Film wird viel und zu laut gelacht. "Wäg jedem Seich", sagt mein Vater.

Gegen Ende werden noch zwei Soldaten aus dem zugeschütteten Munitionslager gerettet. Und wieder herrscht Freude. Fast manisch feiern alle Beteiligten ein Fest, und ganz am Schluss schreitet die Kompanie, Marsch! aus dem Dorf hinaus. Urlaub. Margritli verdrückt ein Tränchen.

Und wir drei sitzen - sprachlos, man muss es so sagen - um den Laptop. Es war halt auch ein bisschen langweilig. Dann schalten wir den Fernseher ein, dort ist auch Krieg, in der Gegenwart, und schlagartig wird uns klar, warum "S Margritli und die Soldaten" gerade heute einfach nicht geht.

Der Film mag vor 80 Jahren etwas zur Moral beigetragen haben, dieser Tage hinterlässt er einen sehr schalen Beigeschmack. Wie ein Bier, stelle ich mir vor, das auf einem der Holztische im "Cerf" stehen geblieben ist, weil es Margritli vergessen hat, wegzuräumen.

*Dieser Text von Nina Kobelt, Keystone-SDA, wurde mithilfe der Gottlieb und Hans Vogt-Stiftung realisiert. (sda)