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Film

Ein Luzerner Film über ein Tessiner Tal wirft Fragen auf, die uns alle angehen

Was hat die Kulturgeschichte des Val Bavona im Tessin mit einer jungen Deutschschweizerin zu tun? «Vento di vita vera» von Kurt Koller mit Nicole Lechmann in der Hauptrolle wird zweimal im Stattkino Luzern gezeigt.

Im Stil des Magischen Realismus: Anna (Nicole Lechmann) setzt sich mit dem wilden Tal und der Kraft der Natur auseinander.
Bild: Filmstill: PD

In so unsicheren Zeiten wie diesen sehnen sich viele nach einem Rückzugsort, einem Ort der Ruhe. Steht man doch den aktuellen Entwicklungen mehr oder weniger ohnmächtig gegenüber. Einfluss aber hat man auf die persönliche Entwicklung. Unverhofft steht die Mittdreissigerin Anna vor der Frage «Gehen oder bleiben?». Von ihrer Stieftante, die sie nie kennen gelernt hat, hat sie ein Haus im Tessiner Val Bavona geerbt.

Der Luzerner Regisseur Kurt Koller erzählt die Geschichte dieser jungen Frau (gespielt von der Schauspielerin Nicole Lechmann, ebenfalls Luzernerin). «Vento di vita vera» beginnt als Spielfilm. Anna fährt nach Locarno zum Notar (Andrea Zogg), der ihr den Schlüssel fürs Haus und eine Wegbeschreibung in die Hand drückt. Schon bei der ersten Begegnung mit einem Bewohner aber erhält der Film eine weitere Ebene: Der echte Ivo Dadò, Landwirt, erzählt in die Kamera, wie das Tal sich über die Zeit verändert hat. Durch Katastrophen wie Erdrutsche und Überschwemmungen, die das Landschaftsbild tief geprägt haben. «Vento di vita vera», der Wind des wahrhaftigen Lebens weht durch dieses Tal. Die Bilder von Andrea Capella werden ergänzt durch filmisches und fotografisches Archivmaterial. Annas Stieftante erinnert an diese «toughen» Frauen von früher.

Was würde man an ihrer Stelle tun?

Anna liest im Tagebuch ihrer Stieftante. Eine Frau, die sehr schlecht sah, das aber nicht als Nachteil empfand.
Bild: Filmstill: PD

Kurt Kollers Film ist keine Dokufiktion, sondern eine Mischung aus Spiel-, Dokumentar- und Essayfilm, in dem die fiktive Figur Anna realen Personen aus dem Tal begegnet, von denen sie – und gleichzeitig das Publikum – über die Geschichte und das Leben im Val Bavona lernt. Doch was will sie dort in diesem alten Steinhaus ohne Strom, mit sich alleine? Sie hat einen Beruf, den sie liebt, ein Leben – ihre Wurzeln – an einem anderen Ort. Und doch ist sie sich auf einmal nicht mehr so sicher: «Gehen, bleiben? Oder beides?»

Der Film ist thematisch und formal prall gefüllt. Zitate von Maler Gerhard Richter oder Schriftsteller Max Frisch füllen die Leinwand. Die am Film Beteiligten, fast ausschliesslich aus Luzern, wollen mehr, als «nur» eine Geschichte erzählen. Sie wollen etwas sagen. Aber ist Film nicht eben das Medium, das eine solche Aussage, die über das Gesprochene hinausgeht, in Bildern transportieren soll und kann? Obwohl klug gefüllt, bleibt kaum Leerraum für Gedanken während der Visionierung. Was bedeutet, dass man ihnen danach auch nicht weiter nachhängen muss. Es bleibt ein ungewohntes und vielfältiges Filmerlebnis, das das Interesse für ein Tal weckt. Und man identifiziert sich durchaus mit der Hauptfigur: Was würde man an ihrer Stelle tun?

«Vento di vita vera» im Stattkino, Luzern: Samstag, 24. September, 16.00, Premiere und anschliessend Gespräch mit dem Regisseur und Christoph Brander (Drehbuch) sowie Andrea Capella (Kamera); weitere Vorführung: Sonntag, 2. Oktober, 16.00.

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