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Popkultur-Glosse

Die Sache mit Harry und Meghan: Meine Wahrheit, deine Wahrheit – ist doch egal!

Ja, ich weiss, ich habe erst vor zwei Wochen über Meghan und Harry gemotzt. Und ja, die Schlagzeilen waren seither täglich voll von ihnen. Nicht nur ich habe eine Überdosis. Trotzdem mache ich sie nochmal zum Thema. Denn die zwei haben ein Phänomen vollkommen verinnerlicht: «my truth», «meine Wahrheit».

Dauerpräsent: Meghan und Harry halten die Welt in Atem – ob man will oder nicht.
Bild: Bild: Keystone

Diese Woche erschien der zweite Teil der «Harry & Meghan»-Doku auf Netflix. Ich konnte mich ehrlich gesagt noch nicht mal überwinden, den ersten Teil zu schauen. Aber ich muss mir das auch gar nicht antun und weiss trotzdem alles darüber. Weil alle darüber berichten. Vom «Blick» bis zur NZZ, von der «Daily Mail» bis zur BBC.

Harry und Meghan erzählen weiterhin jedem, der es hören will, ihre Version der royalen Geschehnisse. «Ihre» Wahrheit – die sie manchmal fröhlich mit neuen Details garnieren. Aber warum gehen sich Fans und Hater in Onlinekommentaren deswegen an die Gurgel? Denn egal auf wessen Seite man steht: Wir kennen die Wahrheit nicht. Und genau das ist der Punkt.

Diese Sache mit der individuellen Wahrheit ist schwierig. Irgendwann ist «meine Wahrheit» gleichbedeutend mit der absoluten Wahrheit geworden, und wer etwas gegen «deine Wahrheit» hat, muss etwas gegen dich haben. Natürlich kann jeder seine eigenen Ansichten oder Versionen von etwas haben und so gesehen kann sich die Wahrheit von zwei Menschen tatsächlich etwas unterscheiden. Aber ich finde es gefährlich, wenn das einfach so gleichgewichtet wird wie «die Wahrheit».

Oprah Winfrey sagte in ihrer Rede an den Golden Globes 2018: «Die eigene Wahrheit zu äussern, ist das mächtigste Werkzeug, das wir haben.» Sie sprach von der MeToo-Bewegung. Nicht falsch verstehen: Wenn jemand sexuell belästigt wird und das äussert, ist es verdammt wichtig zuzuhören, jede Anschuldigung gewissenhaft zu untersuchen und Schuldigen mit einer Pfanne ins Gesicht zu schlagen. Oder so ähnlich.

Aber das als «meine Wahrheit» zu bezeichnen, ist doch komisch. Die Wahrheit ist keine Meinung, kein Gefühl, keine Erfahrung. Es ist Tatsache. Und eine Tatsache als «meine Wahrheit» zu bezeichnen, macht diese Tatsache wiederum klein. Mittlerweile benutzen aber viele – mehrheitlich US-Promis – diese Worte. So wie Meghan und Harry.

Dummerweise haben die beiden aber eine kleine Tradition, die Wahrheit je nach Laune anzupassen. Auch in ihrer Netflix-Doku machen einmal mehr Widersprüche Schlagzeilen.

Die gezeigten Paparazzi waren gar nicht hinter ihnen her, plötzlich haben sie sich nicht an einem Blind Date, sondern über Instagram kennen gelernt und der Heiratsantrag war nicht in der Küche, sondern im Garten. Und Meghan hat ihn mit dem Handy gefilmt. Ist das weltbewegend wichtig? Nein. Aber genau wegen solcher Widersprüche habe ich keine Ahnung, wenn sie wirklich die Wahrheit sagen. Nicht nur ihre eigene.

Denn ich bin mir sicher, dass das Leben im königlichen Haushalt nicht nur aus Blümchen und Regenbogen bestand. Aber wenn Harry in dieser Doku behauptet, die Medien seien schuld, dass Meghan eine Fehlgeburt erlitt, frage ich mich als Erstes: echt? Und zwar nicht in einem mitfühlenden Ton, sondern in einem ungläubigen. Und das spricht nicht für mich als Person.

In dieser Flut der Berichterstattung habe ich an einem Punkt aber tatsächlich Mitleid mit ihr: Harry wird immer als Opfer dargestellt. Sie hat ihn verführt, ihn manipuliert und von seiner Familie isoliert. Alles war Meghans böser Plan. Aber Harry ist ein erwachsener Mann mit sehr viel Unterstützung und einem eigenen Hirn.

Prinz William und Prinz Harry waren einst ein Herz und eine Seele. Heute eher weniger.
Bild: Bild: Keystone

Er hat nicht nur mitgemacht, sondern schiesst auch gegen seinen eigenen Bruder, der doch genau dasselbe durchgemacht hat wie er. Aber nein, Harrys Trauma ist grösser und schlimmer. Das ist «seine Wahrheit». Er musste seine Familie retten, damit sich die Geschichte nicht wiederholt.

Anders als Harry, durfte King Edward VIII. Wallis Simpson nicht heiraten, weil sie geschieden war.
Bild: Getty Images

Interessanterweise wiederholt sie sich tatsächlich. Nein, nicht die Sache mit Diana. Harrys Grossonkel, King Edward VIII., verliess bereits 1936 die königliche Familie und dankte ab, damit er Wallis Simpson heiraten konnte. Eine geschiedene Amerikanerin. Angeblich wollte sie das nicht, weil sie befürchtete, dass die Welt sie dafür verantwortlich machen würde. Und genau so kam es.

Heute ist Meghan die Böse. Ob das wirklich stimmt, wissen wir nicht. Und genauso wenig wissen wir, was bei den Royals wirklich ablief. Jeder kann sich seine eigene Meinung bilden. Oder besser gesagt: seine eigene Wahrheit. Aber auch die beisst einem manchmal in den Hintern.

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