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Buchmesse Frankfurt

«Das gedruckte Buch hält sich stabiler als andere Medien»

Hoher Papier - und Buchpreis und hohe Konkurrenz: An der Frankfurter Buchmesse schaut Tanja Messerli, Geschäftsführerin des Schweizer Buchhandels- und Verlagsverbands trotzdem optimistisch auf den Buchmarkt.

Tanja Messerli, Geschäftsführerin des Schweizer Buchhandels- und Verlagsverbands.

Gibt es dank dem Deutschen Buchpreis für Kim de l’Horizon einen Aufschwung für die Schweizer Literatur?

Eine Antwort steht mir eigentlich nicht zu. Doch ich verbinde damit zweierlei Hoffnung. Zuerst hoffe ich, dass man sich nicht mehr wie 2020 bei Anna Sterns Gewinn des Schweizer Buchpreises anhören muss, Geschlechter auflösendes Erzählen stelle keinen literarischen Anspruch dar. Und dass diese Veränderung dabei hilft, Literatur jüngeren Leserinnen und Lesern nahbar zu machen.

Und für das Ansehen der Schweizer Literatur?

Das wäre meine zweite Hoffnung, nämlich die möglichst häufige Erwähnung, dass «Blutbuch» aus der Schweiz kommt. Die Sichtbarkeit lenkt so das Interesse auch auf andere Schweizer Gegenwartsliteratur.

Der Wermutstropfen für Ihren Verband ist, dass «Blutbuch» in einem deutschen Verlag, bei Dumont, erschienen ist.

Es ist halt so, dass sich die Autorinnen und Autoren oft bei grossen Verlagshäusern bewerben und froh sind um deren Promotion und Reichweite.

Nur knapp 3 Prozent der in Deutschland verkauften Bücher kommen aus der Schweiz. Lohnt sich der Aufwand, an die Frankfurter Buchmesse zu reisen?

Für einige Verlage wie etwa Diogenes ist der deutsche Buchmarkt existenziell, weil er den Grossteil des Umsatzes ausmacht. Für andre ist es deutlich weniger oder sie bedienen weitere Sprachmärkte, aber ganz verzichtet kaum ein Verlag auf die Präsenz an dieser internationalen Buchmesse. Am Schweizer Gemeinschaftsstand auf der Buchmesse waren rund 70 Verlage aus der ganzen Schweiz vertreten, was eine tolle Gelegenheit ist, die Diversität des Schweizer Buchschaffens zu zeigen.

Verleger kleinerer Verlage stehen an ihren kleinen Ständen oft etwas verloren und unbeachtet in der Halle herum…

Sie wissen schon, was sie tun, haben viele Termine mit Agenten, Autorinnen, Übersetzerinnen und Branchenkollegen.

Sie waren lange Buchhändlerin. Wie hat sich aus dieser Sicht die Messe verändert?

Als Buchhändlerinnen haben wir bis in die 1990er Jahre noch viele Neuerscheinungen bestellt, beispielsweise wegen speziellen Messerabatten, die es so heute nicht mehr gibt.

Warum scheitern in der Schweiz immer wieder Buchmessen, wie zu Beipiel zuletzt in Basel?

Das liegt an der Diversität unseres Landes. Kleinverlage würden sich verständlicherweise mehr Auftrittsmöglichkeiten wünschen. Aber die kleinteilige Schweiz ist zu wenig einheitlich, um für Sponsoren ein einziges überzeugendes Argument zu bieten. Die Verlage sind jedoch an den Literaturfestivals präsent, die unabhängigen Verlage mit ihrem Verbund SWIPS oft gemeinsam.

Zuletzt stiegen die Verkaufszahlen auf dem Schweizer Buchmarkt leicht an. Aber über die letzten zehn Jahre sanken die Verkaufszahlen von knapp 20 auf 16,6 Millionen Bücher. Ist die Talsohle erreicht?

Wir befinden uns in einem sehr unsicheren Moment, die langfristigen Auswirkungen der Coronakrise werden wir erst später sehen. Immerhin stellen wir fest, dass die Umsätze im stationären Buchhandel seit 2019 um rund neun Prozent gestiegen sind. Das stimmt uns vorsichtig optimistisch. Das gedruckte Buch hält sich stabiler als andere Medien.

Wie wirken sich die stark gestiegenen Papierpreise auf den Buchpreis aus?

Wenn überhaupt, dann gering. Über das bisherige Jahr 2022 sind die Buchpreise sogar minim gesunken, im September aber leicht um 2,1 Prozent gestiegen. Man muss davon ausgehen, dass die Verlage ihre Buchpreise wegen der gestiegenen Papierpreise aufgrund des Konkurrenzdrucks sehr zurückhaltend anheben. Generell muss man festhalten, dass die Buchpreise nicht mit der Teuerung Schritt gehalten haben. Beispielsweise hat ein gutes Paar Schuhe in den 1950er Jahren gleich viel gekostet wie ein Buch. Und ein durchschnittlicher Roman kostet heute gleich viel wie vor 30 Jahren. Die Margen sind geschmolzen.

Aber in St.Gallen hat gerade mit Bücher Lüthy eine grosse Schweizer Buchkette ein neues, grosses Geschäft eröffnet. Verdrängen nun die Grossen endgültig kleine Buchhandlungen?

Die Buchhandlungen mit Filialen und einem gut aufgestellten Online-Angebot eröffnen als Ergänzung in Fussgängerzonen. Für kleinere Buchhandlungen bleiben von ihrem Profil und vom Standort her meiner Einschätzung nach genügend Nischen. Andere Herausforderungen sind aus meiner Sicht entscheidender. Mir scheinen Nachfolgeregelungen, die Motivation für das Personal, im Buchhandel zu bleiben und die Attraktivität der Branche für den Nachwuchs die wichtigeren Aufgaben, um den unabhängigen Buchhandel zu stärken. Und an diesen Aufgaben sind und bleiben wir als Verband dran.

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