notifications
#MeToo an den Bühnen Bern

Das Berner Ballett verspielt seine Glaubwürdigkeit

Trotz Verhaltenskodex kam es in der Ballettsparte der Bühnen Bern zu sexuellen Belästigungen. Zwar wurde der Fall aufgearbeitet. Dass der Angeschuldigte aber nur vorübergehend freigestellt wurde, sorgt für Unmut.

Sie informierten am Donnerstag über die Vorwürfe am Theater Bern: Tanzdirektorin Isabelle Bischof, Intendant Florian Scholz, Juristin Monika Hirzel. 
Bild: Bild: Peter Klaunzer / KEYSTONE

Julia Stephan.
Bild: Nadia Schärli (neue Lz) / Neue Luzerner Zeitung

Eigentlich hätte mit Florian Scholz, dem 2019 eingesetzten Intendanten der Bühnen Bern, endlich Ruhe einkehren sollen. Sein Vorgänger Stephan Märki, der über eine verheimlichte Liebesbeziehung gestolpert war, hatte am Haus mit seiner Günstlingswirtschaft gleich mehrere Personalabgänge provoziert. Schon damals wurde offenbar: Fehlende Transparenz ist ein Problem im stark hierarchisch geführten Vierspartenhaus. Dass es in Bern heute für alle Mitarbeitenden einen Verhaltenskodex gibt, war eine direkte Folge dieser Affäre gewesen.

Nun wurde publik, dass der Probenleiter der Ballett-Sparte Tänzerinnen sexuell belästigt haben soll. Betroffene hatten die verbalen und körperlichen Übergriffe bereits im Frühjahr 2021 intern gemeldet. Wo ähnlich gelagerte Fälle am Opernhaus und an der Tanzakademie in Zürich oder am Lausanner Béjart Ballett personelle Konsequenzen und tiefgreifende strukturelle Änderungen nach sich zogen, blieb in Bern trotz einer externen Untersuchung erst einmal alles beim Alten. Der Angeschuldigte wurde freigestellt. Für die nachweisbaren verbalen Übergriffe wurde er verwarnt.

Nun soll es zu erneuten Übergriffen gekommen sein. An der am Donnerstag einberufenen Pressekonferenz war man sichtlich bemüht, nicht den Eindruck zu erwecken, man habe die Aufarbeitung des Falles verschlafen. Der Schutz der Persönlichkeitsrechte der Betroffenen habe man höher gewichtet als Transparenz. Was auf den ersten Blick plausibel klingt, wirkt auf den zweiten wie ein Vertuschungsversuch. So seien neu angestellte Tänzerinnen nie über die Vorgeschichte der Compagnie in Kenntnis gesetzt worden.

Die Ballettdirektorin Isabelle Bischof, vor ihrer Ernennung in Bern in der Sparte Tanz Produktionsleiterin, will nichts von den Übergriffen mitbekommen haben. Und ob sich das Verhalten des Probenleiters nach seiner Wiedereinsetzung gebessert habe, sei nie von einer externen Stelle überprüft worden. Auch wenn die von der «Zeit» angeführte Beweislage zu neuen Missbräuchen äusserst dünn ist - der Untersuchungsbericht soll zudem falsch zitiert worden sein: Mit seiner wenig offensiven Kommunikationsstrategie nach innen und aussen hat Bern schon jetzt wieder einiges an Glaubwürdigkeit verspielt.

Kommentare (0)