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Popkultur-Glosse

Ach Mann, heul doch! Das «starke Geschlecht» steckt in der Krise

Vor gefühlt 100 Jahren fragte Herbert Grönemeyer schon «Wann ist ein Mann ein Mann?» Heute ist die Frage immer noch nicht geklärt – ganz in Gegenteil. Doch während es einen beunruhigend frauenfeindlichen Macho-Trend gibt, halten manche Promi-Männer dagegen.

Für mich sind die Sieger der Film-Awards 2023 Männer, die ihre Gefühle zeigen. Ke Huy Quan hat mit seinem Oscar als bester Nebendarsteller eine unglaubliche Award-Saison abgeschlossen. Und jedes Mal war er bei seiner Dankesrede die reinste Emotions-Bombe. Genau wie Brendan Fraser, der ebenfalls ein gewaltiges Comeback hingelegt hat und seinen Tränen bei jedem Preis freien Lauf liess. Und ich liebe sie beide dafür.

Nachdem der Ex-Kinderstar 20 Jahre lang keinen Job mehr bekommen hat, gewann Ke Huy Quan für seine Rolle in «Everything Everywhere All at Once» praktisch jeden Award – und war jedes Mal herrlich emotional.
Bild: Bild: Keystone

Ob wir wollen oder nicht: Promis sind Vorbilder. Und nicht immer gute. Das zeigt das Beispiel Andrew Tate . Gegen seinen behämmerten, frauenfeindlichen Gehirn-Durchfall wirkt jeder Neandertaler wie der reinste Über-Feminist. Trotzdem hat er Tausende – vor allem junge – Fans.

Auch in Film und Fernsehen gibt es mehr als genug grauenhafte Vorbilder. Ob Nate Jacobs aus «Euphoria», Chuck Bass aus «Gossip Girl» oder Massimo aus «365 Tage». Sie alle behandeln Frauen wie Dreck und trotzdem werden sie von vielen Frauen angehimmelt und von Männern dafür bewundert. Und das ist ein Problem.

Chuck Bass aus «Gossip Girl» und Nate Jacobs aus «Euphoria».
Bild: Bilder: Keystone/HBO

Ich sage nicht, dass Männer es schwerer haben als Frauen. Das ist eine ganz andere Baustelle. Aber als Mama eines kleinen Sohnes mache ich mir manchmal Sorgen, zu was für einem Mann er mal wird. Und zu was für einem Mann ihn die Welt macht. Ja, wir haben das Gefühl, dass wir in einem ach so modernen Zeitalter der Akzeptanz leben, in dem wir alle gleich sind. Aber seien wir mal ehrlich: Als Gesellschaft haben wir immer noch uralte Clichés, wenn es um Männlichkeit geht.

Es gibt genug Frauen, die zwar wollen, dass ihr Mann seine Emotionen zeigt, aber nicht damit umgehen können, wenn er vor ihnen weint. Männer müssen stark sein, zuverlässig, stoisch und ihre Probleme selbst regeln. Diese Erwartungen kommen oft auch von den Männern selbst. Gleichzeitig werden sie in den Medien gerne als faul, nutzlos und kindisch dargestellt.

Und dann gibt es natürlich noch die extremen Lager: Für die einen sind Männer ganz allgemein das Feindbild, geradezu «giftig». Für die anderen sind sie das Grösste überhaupt.

Kein Wunder, scheinen manche quasi in einer Männlichkeits-Krise zu stecken. Und das kann gefährlich werden. Diverse Statistiken zeigen seit Jahren, dass Männer zum Beispiel weitaus öfter Suizid begehen. Sie machen seltener eine Therapie. Stattdessen wenden sie sich vermeintlichen «Alphas» zu, die angebliche Lösungen versprechen. Und diese sind wiederum meistens schlecht für Frauen.

Darum ist es umso wichtiger, dass man(n) auch das Gegenteil sieht. Und in den letzten Tagen gab es mehrere beispielhafte Promi-Männer, die sich zu Wort meldeten.

Arnold Schwarzenegger sprach sich kürzlich auf seinen Social-Media-Plattformen gegen Hass und Antisemitismus aus: «Ich möchte mit dir reden, wenn du dich selbst schon dabei erwischt hast, dass du dachtest, jemand anderes sei dir unterlegen oder habe es wegen seiner Religion, seiner Hautfarbe oder seines Geschlechts auf dich abgesehen.» Hass sei im Lauf der Geschichte immer wieder genutzt worden, weil es einfacher sei, einen Sündenbock für ein Problem zu finden. Aber: «Du wirst am Ende dieses Weges niemals Erfolg finden.»

In den Kommentaren bekam Schwarzenegger viel – aber längst nicht ausschliesslich – Lob.

«Braking Bad»-Star Bryan Cranston machte sich im Podcast von Bill Maher dafür stark, dass das Thema Sklaverei in den US-Schulen Thema werden soll. Ähnlich wie Deutschland es mit dem Holocaust getan habe: «Damit uns der systematische Rassismus in unserem Land und in unserer Regierung bewusst wird.»

So habe Donald Trumps Wahl-Slogan «Make America Great Again» bereits rassistische Tendenzen. Denn: «Wann war Amerika denn für Nicht-Weisse jemals ‹great›?»

Schauspieler Bryan Cranston.
Bild: Bild: Keystone

Und Pedro Pascal aus «The Last of Us» wurde von einem Paparazzo gefragt : «Was würdest du Leuten antworten, die sagen, sie wollen keine LGBTQ-Love-Stories in Serien sehen?»

«The Last of Us»-Star Pedro Pascal.
Bild: Bild: Keystone

In «The Last of Us» gibt es mehrere Charakter, die nicht heterosexuell sind. Vor allem die Folge, in der die zwei schwulen Überlebenden Bill und Frank im Fokus stehen, rührte Tausende Fans der postapokalyptischen Serie zu Tränen.

«Warum ist es wichtig, dass LGBTQ-Charakter in Serien zu sehen sind?», bohrte der Paparazzo nach. «Du solltest wissen, warum», meinte Pascal kurz und knapp. Kurz darauf postete er eine «Inclusive-Flagge» auf Instagram mit der Zeile aus Bob Dylans Song: «The Answer, My Friend, Is Blowin’ in the Wind.» Fabelhaft!

All diese Promis nutzen ihre riesige Plattform, um zu zeigen, dass Männer ihre Gefühle zeigen, freundlich, liebevoll, hilfsbereit, unsicher oder ängstlich sein dürfen, ohne «schwach» zu wirken oder ihre Männlichkeit zu verlieren.

Und ich hoffe, sie erreichen möglichst viele, die mit sich selbst kämpfen. Jungs, die Tausende Sit-ups machen oder sogar zu Steroiden greifen, weil sie glauben, Muskeln machen sie zum Mann. Junge Männer, die sich so einsam fühlen, dass sie sich in Hass flüchten. Väter, die ihren Söhnen predigen: «Sei ein Mann.»

Wie wäre es stattdessen mit «Sei ein Mensch»? Darum: Ach Mann, heul doch! Egal ob Ke Huy Quan bei den Oscars oder irgendein Normalo auf der Strasse. Wenn dir danach ist, reiche ich dir gerne ein Taschentuch.

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