Filmmusik überhöht Kussszenen mit üppigen Streichersounds, steigert Action mit Schlagzeuggewittern oder breitet weite Landschaften mit majestätischem Blechbläserpathos aus. Welches aber ist die spezifische Rolle von Vokal- und Chormusik im Soundtrack zu Filmen?
Der 21st Century Chorus trieb in der Maihofkirche Luzern diese Frage mit einem «Pocket Concert» mit dem 21st Century Salon Orchestra unter der Leitung von Ludwig Wicki auf die Spitze. Er gab drei jungen Schweizer Filmmusikkomponisten (zwei Männer, eine Frau) je ein Chorstück zum Thema «Vergangenheit/Gegenwart/Zukunft» in Auftrag. Dass sie «Filmmusik ohne Filme» komponieren mussten, gab den Komponisten ein Höchstmass von Freiheit. Es stellte sie aber auch vor die Schwierigkeit, dass sie selber eine Geschichte erfinden mussten.
Kopfkino mit musikalischen Mitteln
So sagte es Raphael B. Meyer, der als Filmmusikkomponist in einem breiten Spektrum vom Gaming bis zum Schweizer Fernsehen («Der Bestatter») tätig ist. Er war es auch, der mit «Vehicles» eine Geschichte - jene der Mobilität - mit musikalischen Mitteln zu bildhaftem Kopfkino machte. Pferdegetrappel im Wilden Westen, das Zischen der Eisenbahn und der abschliessende Abflug ins All zogen viele chorische Register - vom perkussiven Lauttheater über Glissando-Flächen bis hin archaischen Gesängen, denen die Ennio-Morricone-Trompete ihren Sehnsuchtston einbrannte.
Der Zug ins Archaische zog sich als roter Faden durch den Abend. Mirjam Skal erwähnte explizit die Faszination für die Stimme als «ältestes, archaisches Instrument». Ihr Stück «Crea» zeichnete das Erwachen von urwelthaften Wesen mit wabbernden Chorflächen nach, die sich zu geheimnisvoller Strahlkraft auffächerten. Ramon Kündig, Solo-Schlagzeuger im Luzerner Sinfonieorchester und beim 21st Century Orchestra, stellte seine Musik zu einem noch nicht realisierten Filmprojekt vor: Der Kampf zwischen Gut und böse, symbolisiert in der Begegnung zwischen zwei Mönchen und einer jungen Frau, steigerte sich in «The call of Yaga» aus sphärischen Summ- und Flüstertönen sowie düsteren «Dies-irae»-Anklängen zu monumentaler Grösse.
«Open Vid» für die Filmmusik?
Stargast Patrick Doyle erzielte solche Weite mit schlichten Mitteln in vier schottisch inspirierten Songs, die mit Flöte, Sehnsuchtstrompete und archaischen Chorgesängen die Mystik und Melancholie der Highlands herauf beschwörten. Schon in seinen Anfängen in Hollywood hätten die Produzenten geschätzt, dass er mit dem Einbezug schottischer Wurzeln da die «keltische» Musik einführte, schmunzelte Doyle im Gespräch mit dem Moderator Timo von Gunten.
Mit dessen sympathischen Moderationen und zusätzlichen Werken der Komponisten war dieses «Pocket Concert» ein so kurzweiliges wie anregendes Gesamtpaket. Und empfahl sich für Gemeinschaftsprojekte, wie sie die Hochschule unter dem Label «Open Vid» durchführt und damit Videoschaffende der Hochschule mit Kompositionsstudenten zusammenführt. Denn das einzige, was an diesem Abend fehlte, waren dann doch die Filme zur Musik.
Wiederholung: Samstag, 24. September, 19.30, Maihofkirche, Luzern. www.21cc.ch