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Sudan

Tote bei Protesten im Sudan

Im Sudan kommt knapp eine Woche nach dem Sturm auf ein Protestlager Bewegung in den Konflikt zwischen Militärregierung und Opposition.
Als Teil der Kampagne des "zivilen Ungehorsams" blieb das Geschäftszentrum von Khartum am Sonntag, dem ersten Arbeitstag der Woche, geschlossen.
Bild: KEYSTONE/AP

Nachdem ein Generalstreik am Sonntag zu Beginn der Arbeitswoche das öffentliche Leben in der Hauptstadt Khartum weitgehend lahmlegte, signalisierte die Militärregierung Verhandlungsbereitschaft.

Sie sei zur Wiederaufnahme von Gesprächen mit der Oppositionsallianz FFC bereit, sagte ein Sprecher des militärischen Übergangsrats. Er hoffe, dass die FFC keine Vorbedingungen stelle. Der Rat sei aber bereit, sich die Forderungen anzuhören. Die Verhandlungen waren nach dem Sturm auf das Protestlager am Montag abgebrochen worden.

Bei Protesten anlässlich der Kampagne des "zivilen Ungehorsams" wurden nach Angaben von Ärzten am Sonntag vier Menschen getötet. Je ein Mensch sei in Khartum und im benachbarten Omdurman erschossen worden. Das erklärte das Zentralkomitee sudanesischer Ärzte, eine der Opposition nahestehende Organisation. Zwei weitere Menschen seien nach Stichverletzungen im Spital verstorben.

Das Zentralkomitee machte die Militärregierung und paramilitärische Truppen für die Todesfälle verantwortlich. Beobachter der Proteste gegen den Militärrat berichteten von Warnschüssen, mit denen Polizisten die Proteste auflösen wollte. Zuvor hatte die Polizei bereits Tränengas eingesetzt.

Landesweiter Streik

Anhänger der Protestbewegung hatten am Sonntag damit begonnen, den nördlichen Bezirk Bahari der Hauptstadt Khartum mit Autoreifen, Baumstämmen und Steinen zu verbarrikadieren.

Sie folgten damit einem Aufruf des sudanesischen Berufsverbands SPA, der als Reaktion auf die brutale Niederschlagung eines Sitzstreiks durch die Armee zu einer landesweiten "Bewegung des zivilen Ungehorsams" aufgerufen hatte. Der Protest solle andauern, bis die regierenden Generäle die Macht an eine zivile Regierung übergeben, erklärte die SPA.

Sicherheitskräfte nahmen am Sonntag Dutzende Oppositionsanhänger fest. Flughafenmitarbeiter sowie Angestellte der sudanesischen Zentralbank seien abgeführt worden, sagten ihre Kollegen der Nachrichtenagentur DPA.

Der am Sonntag begonnene landesweite Streik folgte auf die mutmassliche Festnahme zweier Oppositionsführer. Der Generalsekretär der Rebellengruppe SPLM-N, Ismail Jallab, und deren Sprecher, Mubarak Ardol, waren laut internationalen Medienberichten wenige Stunden nach einem Treffen mit dem äthiopischen Ministerpräsidenten Abiy Ahmed am Freitag festgenommen worden. Die Berichte, die auf ungenannten Quellen basierten, liessen sich zunächst nicht unabhängig verifizieren.

Vermittlungsversuch

Abiy versucht, in der Krise im benachbarten Sudan zwischen der Militärführung und der Opposition zu vermitteln. Dazu hatte er sich am Freitag mit dem militärischen Übergangsrat sowie mit Mitgliedern des Oppositionsbündnisses FFC getroffen.

Sicherheitskräfte hatten am vergangenen Montag mit Gewalt eine wochenlange Sitzblockade in Khartum aufgelöst, die massgeblich zum Sturz des Langzeitmachthabers Omar al-Baschir beigetragen hatte.

Nach Angaben eines Ärzteverbandes wurden dabei mehr als 100 Menschen getötet und mehr als 500 verletzt. Das sudanesische Gesundheitsministerium gab die Zahl der Toten mit 61 an. Sicherheitskräfte gingen auch in den Tagen danach gegen Demonstranten vor.

Präsident Al-Baschir, der das Land drei Jahrzehnte lang mit harter Hand regiert hatte, war im April von den Streitkräften gestürzt worden. Dem Putsch waren monatelange Massenproteste vorausgegangen. Seitdem ringen das Militär und die Opposition um die Bildung einer Übergangsregierung

Strassen wie leergefegt

Seit Tagen sind die Strassen in Khartum und der Stadt Omdurman am gegenüberliegenden Nil-Ufer wie leergefegt. Viele Bewohner blieben in ihren Häusern. In den meisten Vierteln fuhren keine Busse.

Das Geschäftszentrum von Khartum blieb am Sonntag geschlossen, ebenso die meisten Geschäfte und Märkte in Omdurman sowie in den Städten Al-Obeid im Zentrum des Landes und Madani im Südosten Khartums.

"Ich war in drei Bäckereien und konnte kein Brot kaufen", sagte ein Bewohner der Stadt Madani in einem Telefonat mit der AFP. Demonstranten hätten auch in Madani Barrikaden aufgebaut, sodass Autos kaum noch durchfahren könnten.

Eine Verdreifachung der Brotpreise hatte die Massenproteste gegen den Langzeitherrscher Omar Al-Baschir ausgelöst. Seit dem Sturz Baschirs fordern die Demonstranten die regierenden Generäle dazu auf, die Macht an eine zivile Regierung zu übergeben. Verhandlungen zwischen der Protestbewegung und dem Militärrat waren jedoch Mitte Mai zum Erliegen gekommen. (sda/afp/dpa/reu)