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Afghanistan

Taliban auf dem Vormarsch östlich von Kabul

Radikalislamische Taliban haben in der Nacht zum Freitag die ostafghanische Provinzhauptstadt Ghasni von mehreren Seiten angegriffen. Rund 1000 Aufständische hätten die Stadt überfallen, sagte der Sprecher der Provinzregierung.
Taliban-Kämpfer östlich von Kabul (Aufnahme vom Juni 2018).
Bild: KEYSTONE/AP/RAUMAT GUL

Die Gefechte dauerten am Freitagvormittag (Ortszeit) an. Taliban hätten sich rund 500 Meter vom Regierungsgebäude und Polizeihauptquartier entfernt verschanzt, hiess es.

Bisher seien in den Kämpfen mindestens 16 Menschen getötet worden, 14 Sicherheitskräfte und zwei Zivilisten, sagte der Leiter der örtlichen Gesundheitsabteilung. Weitere 23 Sicherheitskräfte und sieben Zivilisten wurden demnach verletzt.

Ghasni hat geschätzte 150'000 Einwohner und liegt an der Ringstrasse, einer wichtigen Nord-Süd-Verbindung, die die Hauptstadt Kabul mit der südlichen Stadt Kandahar verbindet. Lokalen Medienberichten zufolge wurde der Verkehr auf der Route eingestellt. Sollten die Taliban Ghasni-Stadt wirklich erobern, hätten sie praktisch den Norden vom Süden abgeschnitten.

Widersprüchliche Angaben

Über die Lage am Freitag gab es allerdings gegensätzliche Darstellungen. Ein Sprecher des US-Militärs in Afghanistan, Martin O'Donnell, bestätigte zwar, dass mehrere Regierungsgebäude in Ghasni angegriffen wurden. Ihm zufolge sind die Kämpfe aber um etwa 8 Uhr morgens (Ortszeit) abgeflaut. Die afghanischen Streitkräfte hätten ihre Stellungen und die Kontrolle über alle Regierungseinrichtungen gehalten.

US-Kräfte hätten sie aus der Luft mit einer Kampfdrohne unterstützt. Der Angriff sei "ein weiterer gescheiterter Versuch der Taliban, Gebiet zu erobern, dessen Ergebnis eine weitere auffällige Schlagzeile sein wird, aber strategisch unwichtig", sagte O'Donnell.

Dagegen erklärte der Sprecher der Taliban, Sabiullah Mudschahid, auf Twitter, die Aufständischen hätten jeden Teil der Stadt infiltriert. Hunderte Kämpfer seien in die Stadt vorgedrungen, hätten das Polizeihauptquartier, alle sechs Polizeibezirke sowie ein wichtiges Militärcamp erobert.

Ein Bewohner von Ghasni, der namentlich nicht genannt werden wollte, sagte, Taliban hätten sich in Privathäusern oder Läden versteckt. Sie würden sporadisch auf Sicherheitskräfte feuern.

Auf dem Vormarsch

Die Sicherheit in der Provinz Ghasni hatte sich in den vergangenen Monaten noch einmal verschlechtert. Bereits vor dem Überfall haben die Taliban die Provinz militärisch dominiert und verfügten laut dem Analyseinstitut Afghanistan Analysts Network über eine starke Präsenz in fast allen der 18 Bezirkszentren. In drei grösseren Gebieten in drei Bezirken der Provinz sowie in der Provinzhauptstadt hatten sie noch keine Dominanz.

Der Angriff auf Ghasni ist der zweite auf eine Provinzhauptstadt in diesem Jahr. Mitte Mai überrannten die Extremisten Teile der westlichen Stadt Farah, überfielen acht Kontrollposten und übernahmen kurzfristig mehrere Regierungsgebäude und Einrichtungen der Sicherheitskräfte, bevor sie von afghanischen Polizisten und Militärs mit Unterstützung von US-Luftangriffen wieder vertrieben wurden. Die nördliche Stadt Kundus war 2015 und 2016 kurzzeitig an die Taliban gefallen.

Laut Militärangaben kontrollieren die Taliban aktuell knapp 14 Prozent des Landes. Weitere 30 Prozent sind umkämpft. Allerdings sehen andere Quellen eine höhere Dominanz der Aufständischen. (sda/dpa/afp)