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Berlin

Rätselraten um Täter und Motiv nach Anschlag von Berlin

Nach dem Anschlag von Berlin herrscht Trauer und Ratlosigkeit: Die Polizei musste nach einem vermeintlichen schnellen Fahndungserfolg zurückrudern. Der Täter ist wohl noch auf freiem Fuss. Ermittler und Politik gehen von einem terroristischen Hintergrund aus, rätseln aber noch über das Motiv.
"Wir gehen derzeit von einem Anschlagsgeschehen mit terroristischem Hintergrund aus", sagte Generalbundesanwalt Peter Frank am Dienstag in Berlin.
Bild: Bild: Jörg Carstensen (Berlin, 20. Dezember 2016)
"Wir gehen derzeit von einem Anschlagsgeschehen mit terroristischem Hintergrund aus", sagte Generalbundesanwalt Peter Frank am Dienstag in Berlin. Ein Bekennervideo gebe es allerdings nicht.

Der Todesfahrer war nach der Tat geflohen. Die Behörden gingen zunächst davon aus, ihn in Person eines festgenommenen Pakistaners gefasst zu haben. Daran gab es jedoch am Dienstag starke Zweifel.

Die Ermittler müssten sich "mit dem Gedanken vertraut machen, dass der Festgenommene eventuell nicht der Täter war oder zur Tätergruppe gehörte", sagte Frank. Über einen Antrag auf einen Haftbefehl sei noch nicht entschieden.

Polizei "hochalarmiert"

Unklar war auch, ob ein Täter oder mehrere am Werk waren. Nach dem Anschlag sei der Täter womöglich noch auf freiem Fuss, sagte der Präsident des Bundeskriminalamtes, Holger Münch. Man sei "hochalarmiert". Die Polizei rief die Bürger wieder zu erhöhter Wachsamkeit auf.

Auf dem Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche nahe des Kurfürstendamms waren am Montagabend elf Menschen getötet und 45 weitere zum Teil schwer verletzt worden, als ein Camion in die Menge raste.

Ausserdem wurde ein Mann aus Polen tot im Fahrzeug gefunden. Bei ihm soll es sich um den ursprünglichen Fahrer des Lastwagens handeln. Er wurde erschossen, sein Fahrzeug anscheinend gestohlen. Die Waffe, mit der der Mann getötet wurde, blieb nach Angaben der Behörden verschwunden.

Merkel "tief traurig"

Bundeskanzlerin Angela Merkel und Aussenminister Frank-Walter Steinmeier besuchten am Dienstagnachmittag den Ort des Anschlags auf dem Berliner Breitscheidplatz und legten dort Blumen nieder. Die Kanzlerin äusserte sich "entsetzt, erschüttert und tief traurig" über die Geschehnisse.

Bundespräsident Joachim Gauck rief die Deutschen zum Zusammenhalt auf. "Der Hass der Täter wird uns nicht zu Hass verführen", sagte er in einer kurzen Ansprache, "er wird unser Miteinander nicht spalten". Von einem "brutalen Attentat" sprach Innenminister Thomas de Maizière. In Berlin beriet das Sicherheitskabinett unter Leitung Merkels über die Lage.

Ebenso wie deutsche Spitzenpolitiker drückten auch zahlreiche ausländische Staats- und Regierungschefs Solidarität und Mitgefühl aus. "Tief betroffen von den tragischen Ereignissen in Berlin. Unsere Gedanken sind bei den Opfern und ihren Familien", twitterte Bundespräsident Johann Schneider-Ammann. UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon verurteilte die Tat.

In Deutschland wurde Dienstag für sämtliche Bundesbehörden Trauerbeflaggung angeordnet. Berlin wollte das Brandenburger Tor am Abend in den Deutschlandfarben anstrahlen. Am Abend fand in der Gedächtniskirche ein Gedenkgottesdienst statt, an dem neben den christlichen Kirchen auch Repräsentanten der in Deutschland lebenden Muslime und Juden teilnehmen wollten.

Sicherheitsmassnahmen erhöht

Die Innenminister von Bund und Bundesländern verständigten sich in einer Videokonferenz darauf, dass trotz des Anschlags die Weihnachtsmärkte in Deutschland weiter stattfinden sollen. Allerdings wurden zusätzliche, lageangepasste Sicherheitsvorkehrungen vereinbart, wie das Innenministerium mitteilte. Dabei sollten auch verstärkt Polizeipatrouillen mit Maschinenpistolen und kugelsicheren Westen zum Einsatz kommen.

In Berlin wurden die Betreiber allerdings von den Behörden aufgefordert, die Märkte am Dienstag mit Rücksicht auf die Opfer und ihre Angehörigen geschlossen zu halten. Der direkt betroffene Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche soll auch in den nächsten Tagen nicht öffnen. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller kündigte zudem an, alle Märkte der Stadt sollten mit Steinbarrieren zusätzlich gesichert werden.

Der Anschlag rief Erinnerungen an die Terrorattacke im französischen Nizza im Juli wach: Dort waren 86 Menschen ums Leben gekommen, als ein Mann mit einem Lastwagen über die Uferpromenade der Mittelmeermetropole fuhr.

Für den Anschlag hatte die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) die Verantwortung übernommen. Die Sicherheitsbehören warnen seit langem, Deutschland stehe wie andere Staaten im Fadenkreuz islamischer Extremisten.

sda/afp/dpa/reu