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Dossen

Ein Berg und seine Schwingungen

Irgendetwas an diesem Berg ist speziell. Dass es auf dem Dossen Geister gibt, kann ich nicht sagen, denn ich glaube nicht an Geister. Doch auf dem Aussichtsberg der Rigi herrschen spezielle Schwingungen.
Auf dem Dossen setzt man sich auf die Wiese: Andrea Müller und ihr Wanderkollege Micha Seiler auf der Suche nach Schwingungen.
Bild: Bilder Andrea Müller

Das klingt jetzt esoterisch. Ist ja auch egal, denn Fakt ist, dass die Wanderer sich auf die Wiese setzen, wenn sie oben ankommen, und nicht auf die dafür vorgesehene Holzbank. Warum? Auf dem Dossen kommt bei ihnen das Bedürfnis auf, der Natur besonders nah zu sein.

Der Berg verleitet auch zu radikalen Veränderungen des Lebensstils: So hat sich jemand kurz vor dem Gipfel entschieden, per sofort mit dem Rauchen aufzuhören. Warum sollten sonst zahlreiche unangetastete Zigaretten auf dem Boden verstreut herumliegen? Auch geheiratet wird auf dem Dossen. Ein Schlössli mit eingravierten Namen ist am Gipfelkreuz angebracht worden. Hier verspricht man sich besonders viel Glück für den Lebensbund.

Damit nicht genug: Ein Gipfelbesteiger war während seines Eintrags in das Gipfelbuch literarisch so beschwingt, dass er (oder sie) das Buch einfach mitgenommen hat. Eigentlich sollte es in einer alten Gamelle am Kreuz verstaut werden. Bald wird diese Person den ersten Dossen-Bestseller veröffentlichen. Ich hoffe auf eine Liebesgeschichte: «Dossen Sepp’s Diary» oder «Auf dem Dossen verweht».

Auch ich fand das Gefühl auf diesem Berg durchaus interessant. Obwohl der Dossen mit seinen 1684 Metern über Meer zweifelsohne nicht zu den höchsten Gipfeln der Welt zählt, verleiht er den Eindruck, wahnsinnig weit oben zu stehen. Das dürfte vor allem der steil abfallenden Flanke hinunter zum Vierwaldstättersee zu verdanken sein. Diese mag das Höhenempfinden beflügeln.

Auch Schmetterlinge und andere Insekten finden es spassig auf dem Dossen. Noch nie habe ich auf einem Berggipfel so viele dicke, schwarze, behaarte Fleischfliegen gesehen. Würde ich an Geister glauben, hätte ich sie jetzt Dämonen genannt. Sie sind aber tatsächlich nicht mehr als miese Pausenverderber. Darum machte ich mich trotz der guten Schwingungen am Berg schon bald an den Abstieg in Richtung Unterstetten und Wölfertschen-First.

Andrea Müller