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Gottertli

Das Kreuz ist nicht der Gipfel

«Steil» trifft es ziemlich gut. Die Wanderung von Brunnen (440 Meter über Meer) auf den Gipfel Got­tertli (1396 Meter über Meer) ist keine Weltreise, dafür marschiert man fast senkrecht bergauf. Die rund tausend Höhenmeter werden ab Bärfallen praktisch ohne Schlaufen und Kurven zurückgelegt. Dementsprechend trieft der Schweiss. Doch schon früh lässt sich erahnen, dass sich die Anstrengung lohnt.
Auf dem Gipfel Gottertli geniessen Wanderer die einmalige Aussicht.
Bild: Bilder Andrea Müller

Der Blick hinunter auf den grünblauen Vierwaldstättersee und in Richtung Urner Berggipfel ist nur ein Vorgeschmack auf das Panorama, das noch kommen wird.

Nach einem abwechslungsreichen Pfad über Wurzeln, Wiesen und durch einen erfrischenden Wald erfolgen die letzten Meter auf einer steilen Kuhweide zur Alp Egg. Dem Älpler, der gerade Pause macht vor seiner Hütte, sind meine dreckverschmierten Wanderschuhe sofort aufgefallen. Der freundliche, aber wortkarge Mann meint mit Blick auf meine Füsse lediglich: «Heute ist das Wetter immerhin besser als gestern.» «Richtig», denke ich und entledige mich des Schlammklotzes, der das Profil meiner Wanderschuhe aufgefüllt hat.

Ab Egg geht es gemächlich weiter zum Gipfel Gottertli. Das Panorama ist gigantisch. Man kann sich immer wieder um die eigene Achse drehen und wird nicht müde, Berggipfel in der Ferne zu bestaunen und deren Namen auf den Panoramatafeln nachzuschauen. Irritierend für das freiheitliche Gipfelgefühl ist einzig der Holzzaun, der diese scheinbar harmlose, von Wiesen umgebene Bergspitze begrenzt. Die Warnung vor Absturzgefahr lässt aber erahnen, dass der Zaun nicht ohne Grund erstellt worden ist.

Eine andere Gipfelstürmerin ist leicht zu enttarnen, weil sie gerade ein Selfie zu ihrem Gipfeleintrag postet. Wie es sich für Gipfelstürmer gehört, unterhalten wir uns kurz über das Wetter und das Wandererlebnis. Der Weg zum Gipfel habe sie an einem Kreuz vorbeigeführt, erzählt sie. Sie habe sich dort, einige Meter weiter unten, schon registrieren können, sei dann aber noch ganz nach oben gewandert. Wäre ja auch schade gewesen, wenn nicht, denn die volle Aussicht gibt es erst zuoberst auf dem Gottertli.

Andrea Müller