Daniel Good
Stefan Küng bringt alles mit, um auf dem Velo in die Fussstapfen von Fabian Cancellara zu treten. Er schätzt den Vergleich mit dem zweifachen Olympiasieger zwar nicht, aber Küng wird auch nicht umhinkönnen, sich mit dieser Parallele zu arrangieren. Denn Küng ist wie der zurückgetretene Cancellara gross und tempofest: prädestiniert für Zeitfahren und klassische Eintagesrennen. Als Jungprofi auf der Strasse produzierte Küng im Frühling 2015 auf Anhieb positive Schlagzeilen mit Siegen in der Tour de Romandie und in Holland. Dann geriet die Karriere des Thurgauers ins Stocken. Stürze mit schweren Verletzungen und das pfeiffersche Drüsenfieber bremsten den Schweizer Hoffnungsträger.
Dieses Jahr soll alles anders werden. Wieder besser. Oder noch besser. Für einen 23-Jährigen hat Küng schon ansehnliche Resultate verbucht. Aber Küng steht der Sinn nach mehr. Auch wenn er sich vorsichtig ausdrückt. Im Prinzip muss Küng froh sein, dass er noch Wettkämpfe auf höchstem Niveau bestreiten kann. Das wichtigste Rennen überhaupt steht für dieses Jahr in seinem Kalender. Wenn alles normal läuft, sollte Küng am 1. Juli in Düsseldorf zur 104. Tour de France starten. Er hat sogar Chancen, die erste Etappe zu gewinnen und das berühmte Maillot jaune, das den Leader auszeichnet, in seinen Besitz zu bringen.
Bahn war eine Belastung
Aber so weit will Küng gar nicht denken. Auch wenn er schon weiss, dass ein Zeitfahren über 13 Kilometer massgeschneidert ist für ihn. «Es gibt viele, die in dieser Prüfung vorne dabei sein können», sagt er. Hauptsache, er bleibt bis dahin von gesundheitlichen Problemen verschont. Bis jetzt läuft alles nach Plan. Zum ersten Mal seit fünf Jahren konnte er wieder eine Pause machen. Zwischen Mitte Oktober und Mitte November sass er nie auf dem Rennvelo.
Zudem hat er nicht mehr zwei Sachen im Kopf. Küngs Karriere als Bahnfahrer ist seit dem vergangenen Sommer – seit dem schweren Sturz an der Schweizer Meisterschaft im Zeitfahren – beendet. «Dass ich den Fokus ganz auf die Strasse legen kann, ist sicher ein Vorteil.» In den vergangenen Jahren beteiligte sich Küng mit dem Schweizer Vierer jeweils noch vor Weihnachen am Weltcup. «Das war interessant, aber sicher eine zusätzliche Belastung.» Gestern flog Küng an die Costa Brava für ein Trainingslager mit seinem Team, der Nummer vier der Welt. «Die Bedingungen in der Ostschweiz waren bis jetzt gut, um zu trainieren. Trocken und nicht allzu kalt. Nun ist der Winter angekommen, jetzt gehe ich an die Wärme.»
Küng tut alles, um seine Bubenträume schon in diesem Jahr zu verwirklichen. Für die Tour de Suisse im Juni ist er gesetzt. An die Tour de France gehen die Besten des BMC-Racing-Teams. «Ich sollte schon in der Lage sein, mich mannschaftsintern zu qualifizieren. Aber natürlich weiss man nie, was noch passiert.»
Zuerst die Klassiker im Visier
Stefan Küng steht vor einer besonderen Saison. Zum ersten Mal sollte der Thurgauer Profi in der Lage sein, sein grosses Potenzial auf der Strasse auszuschöpfen. Denn: Die Belastung durch die Bahnrennen fällt weg, die Vorbereitung war bis jetzt durch keine gesundheitlichen Probleme beeinträchtigt. Die positiven Vorzeichen nähren die Hoffnungen. «Alle im Team sind sehr gespannt, wie es herauskommt. Natürlich auch ich», sagt der 23-Jährige. Sein erstes Rennen bestreitet er Ende Januar mit der Valencia-Rundfahrt. Ernst wird es für Küng bei den Klassikern im Norden. Am 2. April steht die Flandern-Rundfahrt auf dem Programm, eine Woche später Paris–Roubaix. Beide Monumente kann Küng dereinst gewinnen, wenn er sich angemessen entwickelt. Schon dieses Jahr wird der Ostschweizer vom Team Freiheiten erhalten, sofern die Form stimmt. Schon in den vergangenen Jahren beendete Küng die harten und langen Rennen. (dg)
Kommentare
Zu diesem Thema wurden noch keine Kommentare geschrieben.