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Motorrad

Sanft nur dem Namen nach

Franco Morbidelli ist wohl Tom Lüthis grösster Rivale im Kampf um den WM-Titel in der Moto2-Klasse. Der 23-Jährige aus Rom ist mit Valentino Rossi befreundet und für seinen ruppigen Fahrstil bekannt.
Mit 75 Punkten aus den ersten vier Rennen führt Franco Morbidelli die WM-Wertung elf Zähler vor Tom Lüthi an
Bild: KEYSTONE/EPA/NOUSHAD THEKKAYIL

Morbidelli gelang mit drei Siegen in Serie der perfekte Auftakt in die Moto2-Saison. Zuletzt in Jerez stürzte er jedoch. Der Grand Prix in Le Mans, wo Lüthi bereits viermal gewonnen hat, wird Aufschluss geben, wie gut der Italiener den Rückschlag wegstecken kann.

Zumindest was seine Aussagen betrifft, hat der Ausfall im Grand Prix von Spanien beim WM-Leader keine Spuren hinterlassen. Der Fehler in Andalusien - ihm rutschte in Führung liegend das Vorderrad weg - sei abgehakt, sagt Morbidelli. "Ich habe mich nicht verletzt und bin in der Weltmeisterschaft weiterhin vorne." Zwischen den zwei Rennwochenenden verbrachte der 23-jährige Römer zwei Tage in Aragonien, an denen er und der Teamkollege Alex Marquez, der an seiner Stelle in Jerez zum Sieg fuhr, eine Modifikation des aktuellen Kalex-Fahrwerks testeten. Er fühle sich sehr gut, so Morbidelli. "Ich mag den Circuit von Le Mans. Dort war ich immer schnell." Abzuwarten sei, wie sich die neu asphaltierte Strecke auswirken werde.

Zu erwarten ist, dass sich der Sohn eines Italieners und einer Brasilianerin auch im Nordwesten Frankreichs sehr gut zurechtfinden wird. Wer auf so unterschiedlichen Strecken wie in Katar, Argentinien und Texas überlegen gewinnt, verfügt auch für den Stop-and-Go-Kurs in Le Mans über das nötige Selbstvertrauen. Einen solch guten Saisonauftakt wie Morbidelli hatte seit 16 Jahren kein Fahrer in der mittleren WM-Kategorie hingelegt.

Im wohl besten Team

Morbidelli gilt, und dies nicht erst seit seinen diesjährigen Siegen, als eine der grössten Hoffnungen der Motorrad-Tifosi. Seit seinem GP-Debüt im September 2013 steigerte er sich Jahr für Jahr. Den bereits vielen Punkten in seiner ersten kompletten Saison liess er 2015 den ersten Podestplatz folgen. In Indianapolis klassierte sich Morbidelli als Dritter, ehe er von einem beim Motocrossfahren erlittenen Beinbruch eingebremst wurde.

Dennoch erhielt "Der Sanfte" ("il morbido"), wie Morbidelli entgegen seinem konsequenten, gar ruppigen Fahrstil genannt wird, für 2016 einen Vertrag bei Marc VDS. Dabei handelt es sich um eines der besten, wenn nicht das beste Team der Moto2-Klasse. Beim Rennstall, der vom belgischen (Bier-)Milliardär Marc van der Straten alimentiert wird, entwickelte sich der Italiener auf Anhieb zum Daueranwärter auf Top-Platzierungen.

Gleich acht Podestplätze, sieben davon in der zweiten Saisonhälfte, brachten Morbidelli 2016 den 4. WM-Rang ein. Bis zu seinem selbst verschuldeten Sturz in Jerez stand Morbidelli saisonübergreifend achtmal hintereinander auf dem Podest. Daneben lieferte der Moto2-WM-Leader oftmals auch in den Trainings Vorstellungen auf konstant hohem Niveau ab. Heuer stand er bislang zweimal auf der Pole-Position, zweimal resultierte Startposition 2.

Ratgeber Rossi

Im Gegensatz zum acht Jahre älteren Lüthi, der im WM-Klassement nur elf Punkte zurückliegt (64:75), kommt Morbidelli mit dem aktuellen Modell der Kalex auf allen Strecken bestens zurecht. Mehrmals schon äusserte er seine Zufriedenheit mit dem Fahrverhalten des deutschen Motorrads, das seit Jahren in der Moto2-Klasse dominierend ist.

Neben idealem Material und Team profitiert Morbidelli auch von seiner Freundschaft mit und den Ratschlägen von Valentino Rossi, den er schon seit einem Jahrzehnt kennt. Dessen VR46 Academy, einem Förderprogramm für italienische Nachwuchsfahrer, gehört er als ältestes Mitglied seit gut vier Jahren an. Deshalb ist Morbidelli in den Winter-Monaten oft auf der Ranch des neunfachen Weltmeisters Rossi beim Dirt-Track-Fahren anzutreffen.

2018 in MotoGP-Klasse?

Zweifellos wird Morbidelli dereinst auch der Aufstieg in die MotoGP-Klasse gelingen. Gut möglich sogar, dass dies schon Ende dieser Saison geschehen wird. Als Italiener, die allerdings im letzten Jahrzehnt nicht mehr viele Weltmeister stellten, stehen ihm viele Türen offen. Um in die Königsklasse aufzusteigen, wird vom Römer nicht zwingend der Moto2-Titel gefordert, wie das beispielsweise bei Lüthi der Fall ist.

So sagte Michael Bartholemy, Manager beim Marc-VDS-Team, das auch über zwei MotoGP-Startplätze verfügt, Anfang Mai gegenüber der NZZ, dass "Franco bei uns einen Vertrag bis 2021 hat. Das Angebot, dass er in unserem Team ab dem nächsten Jahr MotoGP fahren kann, liegt auf dem Tisch." Dort würde Morbidelli den Australier Jack Miller oder den Spanier Tito Rabat ersetzen, die beide bislang nicht mit Top-Leistungen überzeugt haben. (sda)

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