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ATP Finals

Ein trauriges Weihnachts-Krokodil

Die Tenniswelt nach der Ära der grossen fünf: Die ATP Finals bekommen diese Woche einen Vorgeschmack darauf. Und es ist kein schönes Bild. Nie blieben in der O2 Arena so viele Plätze leer.
Einer der grossen Abwesenden in London: Novak Djokovic musste seine Saison bereits im Juli beenden
Bild: KEYSTONE/EPA AFP POOL/ANDREJ ISAKOVIC / POOL

Novak Djokovic ist in London omnipräsent. Zumindest, wenn man mit der U-Bahn in der O2 Arena ankommt. Gleich dutzendfach wirbt Lacoste mit seinem Konterfei an Wänden, Decken und Rolltreppen. "Christmas Crocodiles" nennt sich die Kampagne in Anlehnung an das Logo der französischen Traditionsmarke. In der Realität fehlt Djokovic an den ATP Finals, nachdem der fünffache Masters-Champion seine Saison nach Wimbledon abbrechen musste. Genauso wie Titelverteidiger Andy Murray, Stan Wawrinka, Kei Nishikori, Milos Raonic und seit Montag auch Rafael Nadal. Auf die Zuschauerzahlen wirkt sich das deutlich aus.

Noch immer ist die Halle stets zu mindestens rund 85 Prozent voll, dennoch waren in der riesigen O2 Arena noch nie so viele leere Plätze auszumachen wie in diesem Jahr. Zumindest dann, wenn Roger Federer nicht spielt. Bereits vor zwölf Monaten, als Federer und Nadal fehlten, gingen die Zuschauerzahlen deutlich zurück. Zu drei Sessions - es werden jeweils separate Tickets für die Nachmittags- und Abendspiele (je ein Einzel und Doppel) verkauft - waren im letzten Jahr weniger als 16'000 Zuschauer gekommen. Zuvor hatte es keine einzige Partie mit weniger als 16'000 Fans gegeben, seit die Arena 2012 auf 17'800 Plätze ausgebaut worden war. Im Gegensatz zur Rekordmarke von 2014 mit insgesamt 263'560 verkauften Tickets kamen letztes Jahr über 11'000 Fans weniger. In diesem Jahr unterboten von bisher acht Sessions bereits vier die Marke von 16'000 Zuschauern, ein Negativrekord ist absehbar. Ausverkauft war die Halle nur zweimal, bei beiden Spielen von Roger Federer. Auch bei Nadals einzigem Auftritt blieben nur ganz wenige Plätze leer.

Es fehlen die Zugpferde

Ein Tag wie am Mittwoch mit Dominic Thiem, Grigor Dimitrov, David Goffin, Pablo Carreño Busta sowie vier Doppelpaaren in Aktion ist hingegen nicht nach dem Geschmack des anspruchsvollen Londoner Publikums. Zudem sorgen stagnierende Löhne und die Angst vor den wirtschaftlichen Folgen des Brexits dafür, dass viele Engländer die Gürtel enger schnallen. Die bittere Wahrheit für die ATP ist aber klar: Ohne Federer, Nadal sowie - in etwas geringerem Mass - Djokovic, Murray und Wawrinka fehlen die Zugpferde. Alle fünf sind über 30 Jahre alt und werden über kurz oder lang von der Bühne abtreten. Bis Leute wie Alexander Zverev die Massen in die Stadien holen, dürfte es noch eine Weile dauern - wenn überhaupt.

Roger Federer glaubt nicht daran, dass die neue Generation so bald das Zepter übernehmen kann, obwohl er gerade Zverev eine grosse Zukunft prophezeit. "Novak, Murray und Stan sind drei Spieler, von denen ich auf keinen Fall sagen könnte, die kommen nicht mehr richtig zurück", sagt der 36-jährige Basler. "Ich glaube, die Jungen brauchen schon noch etwas Zeit." Er erwartet zunächst mal eine interessante Zeit, da vor allem Djokovic (aktuell Nummer 12), Murray (16) und Wawrinka (8) erst mal tiefer gesetzt sein werden als üblich.

Federer sieht die vielen Verletzungen nicht so dramatisch: "Die sind eigentlich normal in dem Alter." Um sie zu verhindern müsste man "zehn Jahre unseres Alters wegnehmen, dann ginge es uns vermutlich besser", meinte er lachend. "Früher hatten viele Spieler ihre Karriere in dem Alter bereits beendet oder waren kurz davor." Für die ATP ist es also Fluch und Segen, dass die grossen fünf in ihrem Alter noch dominieren. Die Zukunft wird aber eine gewaltige Herausforderung. (sda)

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