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Tennis

Roger Federer: «Ich werde merken, wenn es Zeit für den Abschied ist»

Roger Federer hatte am Montag in Dubai seinen ersten Auftritt nach seinem Triumph in Australien. Das grosse Interview mit dem Superstar.
Roger Federer am letzten Sonntag bei einer Trainingseinheit.
Bild: Bild: Tom Dulat/Getty (Dubai, 26. Februar 2017)

Interview: Jörg Allmeroth, Dubai

sport@luzernerzeitung.ch

Roger Federer, seit Ihrem 18. Grand-Slam-Sieg ist gut ein Monat vergangen. Wie blicken Sie auf die Tage von Melbourne und auf den Triumph im Final gegen Rafael Nadal zurück?

Es war der unglaublichste Moment überhaupt. Ein Moment, an den ich nie geglaubt hatte. Es war der Hammer, der Kracher schlechthin. Ich schaue immer noch fasziniert zurück und denke: Mann, was ist da eigentlich passiert?! Es war jenseits aller Erwartungen, aller Hoffnungen, selbst aller Träume. Ich wache morgens manchmal auf, und dann frage ich mich: Ist es wirklich so passiert? Es ist natürlich ein wahnsinniges Glücksgefühl da, immer noch, immer wieder. Dieses Glück geht nicht so schnell weg.

Haben Sie sich den Final nachträglich noch einmal angeschaut?

Nicht in voller Länge. Immer mal wieder Highlights, die spektakulären Szenen. Die Phasen, in denen es sich hin und her drehte. Und die Siegerehrung. Ich habe dabei gespürt, was mir das alles bedeutete, wie wichtig es auch für mein Team, für meine Familie war.

Gab es für Sie jemals vergleichbare Momente auf dem Tennisplatz?

Es fällt schwer, da etwas zu finden. Sicher der erste Wimbledon-Sieg, der Sieg bei den French Open. Aber ich kann mich selbst nicht erinnern, dass so starke Gefühle so lange nach einem Match geblieben sind. Dieser Sieg ist einfach wie kein anderer, er ist einzigartig.

Als Sie im Dezember einmal eine Ihrer Trainingseinheiten live übertragen liessen, wurden Sie von einem Fan nach Ihrer Einschätzung für die Australian Open gefragt. Die Antwort war: Ich bin mit jedem Ergebnis zufrieden.

Und das war auch ganz ehrlich gemeint. Ich hab gedacht: Schau mal, was geht. Wenn du das Ende der ersten Woche erreichst, ist das ein schöner Erfolg. Wenn nicht, auch gut. Es war ja eigentlich erst der Anfang dieses Comebacks, was sollte ich da schon erwarten. Und dann begann der Wahnsinn. Ja, es war einfach Wahnsinn. Auch jetzt, wo wir hier über das alles reden, denke ich: verrückt, unfassbar. Auch weil ich bei praktisch jedem Turnier, das ich in den letzten zehn, fünfzehn Jahren gespielt habe, besser vorbereitet gewesen bin. Mit viel grösserem Selbstvertrauen in das Turnier ging.

Man hat das Gefühl, Sie schweben immer noch auf Wolke sieben.

Es gibt Siege und Momente, die unbezahlbar sind. Und Melbourne war so ein Sieg, so ein Moment. Ich reite immer noch auf dieser Welle, das stimmt.

Vielleicht auch, weil so viel Zeit zwischen Grand-Slam-Titel 17 und 18 lag. Viereinhalb Jahre.

Schauen Sie: Diese Jahre waren teilweise sehr schwierig, 2013 und 2016 waren mehr oder weniger Ausfalljahre wegen vieler Verletzungen. Aber ich habe ansonsten sehr oft sehr, sehr gutes Tennis gespielt, ich war 2015 sehr dicht an einem ausserordentlich starken Novak Djokovic dran, stand immer wieder in Grand-Slam-Finals. Ich habe also nicht Trübsal geblasen in dieser Zeit. Man kann Spieler nicht nur daran messen, ob sie Grand-Slam-Titel holen. Ich wäre heute auch ein zufriedener Mensch, wenn ich weiter 17 Siege hätte. 18 Titel sind viel schöner, ganz klar. Aber ich war zuvor mit mir absolut im Reinen.

Sie waren in der zweiten Hälfte 2016 nicht im Wanderzirkus unterwegs, sechs Monate ohne Pflichtspiel. Wie war diese Zeit für Sie?

Am Anfang denkst du: Das ist eine lange Strecke ganz ohne Turniertennis, ganz ohne diesen wichtigen Teil deines Lebens. Aber ich konnte diese Zeit schnell geniessen, ich habe mir einfach gesagt: Mach was draus, entdecke die Möglichkeiten, die du nun hast! Und das war natürlich auch die intensive Zeit mit der Familie, mit meiner Frau und den Kindern. Pausen sind eigentlich nichts Schlimmes, im Gegenteil: Wenn man sie richtig nutzt, sind sie eine Chance. Ich fühlte mich wirklich frisch, ausgeruht und energiegeladen, als ich nach Australien kam. Und das ist auch etwas, was andere Spieler im Hinterkopf haben sollten: Pausen sind Teil deiner Arbeit als Profi, sie können sehr nützlich sein.

Sie waren viele Jahre Ihrer Karriere verletzungsfrei, hatten immer eine gewisse Angst vor schwereren Blessuren.

Aber ich denke und fühle jetzt anders. Ich habe mich schliesslich immer wieder zurückgekämpft, wenn ich mit Verletzungen zu tun hatte. Jetzt natürlich erst recht, nach dem halben Jahr Zwangspause. Ich weiss, dass es kein Weltuntergang ist, wenn einem so ein Malheur passiert.

Gab es nach Melbourne nicht die Versuchung zu sagen: Danke, liebes Tennis, das ist jetzt der Traummoment, um aufzuhören?

Nein. Ich habe letztes Jahr, nach den Verletzungen, die ich hatte, immer wieder gesagt: Ich habe einen längerfristigen Horizont, wenn ich dieses Comeback plane. Ich arbeite eigentlich erst mal so, als ob es einfach weitergehe – ohne einen festen Endpunkt. Und daran hat sich auch nach Melbourne nichts geändert. Ich will noch ein paar Jahre Tennis spielen. Klar, viele Leute denken: Matchball, Titel, zack, fertig, Rücktritt – und das wars. Aber so funktioniert das nicht, jedenfalls nicht bei mir.

Gibt es überhaupt ein Traum­­sze­nario für den Schlusspunkt der Karriere?

Nein, das gibt es nicht. Ich denke, ich werde einfach merken, wenn es so weit ist, wenn es Zeit für den Abschied ist.

In Australien lud Ihr Schlusswort auf dem Centre Court zu Spekula­tionen ein, es schien dabei, als sei die Rückkehr nach Melbourne irgendwie offen.

Es war nicht mehr als ein Missverständnis. Ich wollte wirklich allen, absolut allen danken, die mich auf diesem Titelweg begleitet haben. Auch den vielen Fans halt. Und das klang dann wohl ein wenig nach einer Abschiedsrede, so, als ob ich nicht wiederkäme. Aber das war nicht die Botschaft. Es gibt natürlich immer Unsicherheiten, wer weiss schon, ob es nicht ein Verletzungsproblem gibt. Aber ich will spielen, dort und natürlich auch anderswo.

Sie haben gerade Ihren Vertrag mit den Swiss Indoors, Ihrem Heimturnier in Basel, bis zum Jahr 2019 verlängert. Bis dahin soll es weitergehen – oder?

Ja, der Wille ist ganz klar, noch einige Jahre zu spielen. Und bis zum Ende meiner Karriere werde ich auch immer in Basel antreten, es ist meine Heimat, der Ort, an dem alles anfing für mich.

Wie fühlen Sie sich jetzt körperlich? Wie fit gehen Sie in die nächsten Wochen mit Dubai, dann mit den amerikanischen Turnieren in Indian Wells und Miami?

Ich werde erst nach diesem Saison­abschnitt schlauer sein, wie der Körper mehrere Turniere hintereinander verkraftet, wie da die physische Reaktion ist. Es ist noch ein Blick in den Nebel, ich kann es nicht sagen. Aber ich sehe mich bei keinem dieser Turniere irgendwie als Favorit. Ich erwarte nicht, dass ich dauernd Wunder produziere – und nach dieser langen Pause sind Turniersiege alles andere als normal.

Wo rechnen Sie sich in dieser Saison noch gute Chancen aus?

Sicher weniger bei den French Open, in der Sandplatzsaison. Aber ich glaube, dass ich bis zum Ende meiner Karriere immer gute Chancen in Wimbledon und auch bei den US Open habe. Wimbledon ist sicher der Hauptfokus für mich. Das ist der Platz, wo ich am selbstverständlichsten gutes Tennis spiele.

Wenn Sie jetzt noch einmal über die Tage von Melbourne hinaus schauen, was gibt Ihnen hier und heute das Tennis, der Sport?

Ich hatte das Riesenglück, dass ich etwas, das ich sehr gerne mache, etwas, was früh schon meine Leidenschaft war, zu meinem Beruf machen konnte. Das habe ich immer als grosses Privileg empfunden. Ich liebe das Tennis, und deshalb gab es auch keinen Tag, an dem ich ernsthaft ein Problem als Profi hatte. Tennis war auch immer eine grosse, spannende Herausforderung: stets besser zu werden, sich auch immer mal wieder neu zu erfinden als Spieler, neue Technologien aufzunehmen. Es wurde einem nie langweilig. Und es ist immer noch und stets ein wunderbares Gefühl, auf einem der grossen Centre Courts zu spielen, diese Atmosphäre zu spüren, sich in diese Duelle hineinstürzen zu können.

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