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Tennis

Ein Jahr voller Fragen

Die Saison 2017, die heute so richtig mit dem Australian Open beginnt, könnte wieder voll von Überraschungen sein. Gerade bei den Frauen weiss man nur, dass man nichts weiss.
Perfektionistin: Die Deutsche Angelique Kerber will sich als Weltranglistenerste behaupten.
Bild: Bild: Lukas Coch/EPA (Melbourne, 15. Januar 2017)

Jörg Allmeroth

Für Liebhaber des Unerwarteten hatte 2016 im weltweiten Tenniszirkus einiges bereitgehalten: Da war der unheimlich beständige Aufstieg der Deutschen Angelique Kerber, da war eine fast unbekannte Olympiasiegerin aus Puerto Rico, Monica Puig. Da war auch die zweigeteilte Saison im Herrentennis mit den Halbzeit-Herrschern Novak Djokovic und Andy Murray. Und da waren noch der fatale Dopingfall Maria Scharapowa und die Seuchenserie des Maestros Roger Federer.

Und was kommt nun, im gerade begonnenen Tennisjahr 2017? Mehr Gewissheit sicher nicht. Wenn nicht alles täuscht, hat 2017 in der Tenniswelt das Zeug für mindestens genauso viel Überraschungspotenzial wie die vergangenen Monate. Wohin man auch blickt: Fragen über Fragen – und kaum Verlässlichkeit. Gerade im Damentennis weiss man eigentlich nur, dass man nichts weiss. Was, zum Beispiel, wird in den nächsten Monaten aus der langjährigen Dominatorin Serena Williams aus den USA? 2016 hatte sie die meisten grossen Matches verloren.

Grosse Herausforderung für Kerber

Nur in Wimbledon verteidigte Williams den Titel, es war der 22. ihrer Karriere, der Sieg, mit dem sie zu Steffi Graf aufschloss. Wahrscheinlich ist Wimbledon auch der Schauplatz, an dem die Amerikanerin die grössten Chancen auf einen weiteren Major-Triumph hat. Eher unwahrscheinlich ist, dass sie noch einmal dauerhaft in voller Pracht im Tennis-Universum aufscheint und die Rangliste über Monate anführt. Doch, andererseits, kann man bei der alten Meisterin wirklich etwas ausschliessen?

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Womit wir schon bei Angelique Kerber wären, bei der Frau, der das Kunststück des Thronsturzes von Serena Williams gelang. Der Vormarsch an die Weltranglistenspitze war schwer genug. Doch die phänomenale Saison 2016 und die kostbaren Siege zu bestätigen, wird erst recht zur gewaltigen Herausforderung für die Frontfrau aus Deutschland. Zumal, wenn man weiss, wie sehr die ehrgeizige Perfektionistin auch jetzt noch stets und überall beweisen will, dass die vergangenen Erfolgsmonate kein Zufallsprodukt waren – sondern Teil einer spielerischen und charakterlichen Fortentwicklung auf allerhöchstem Niveau. So oder so: Melbourne, der Auftakt-Grand-Slam, wird erste Hinweise auf die Verfassung und Gemütslage Kerbers liefern. Nur so viel dürfte klar sein: Ohne herausragende Grand-Slam-Vorstellungen wird sie sich nicht ganz vorne halten können. «Ich habe mir gezeigt, dass ich bei den entscheidenden Turnieren mein bestes Tennis spielen kann. Darauf baue ich auch 2017», sagt Kerber.

Gegen wen sie ihren Führungsplatz zu verteidigen hat, ist offen: Alte Bekannte kommen einem da in den Sinn, die Polin Agnieszka Radwanska etwa. Oder dann auch junge, aufstrebende Konkurrenz wie Elina Svitolina aus der Ukraine und Karolina Pliskova (Tschechien). Aber eine Unbekannte taucht auch noch auf: Eine gewisse Maria Scharapowa, die am 26. April beim Stuttgarter Grand Prix ihren Comeback-Auftritt nach verbüsster Dopingsperre geben wird. Frage eins dazu ist: Wozu ist die Russin nach der dann 15-monatigen Zwangspause fähig? Frage zwei lautet: In welchem Arbeitsklima wird die kühle Russin künftig aufschlagen, eine Frau, die abseits der Dopingthematik schon immer selbstbewusste, eigene Wege ging?

Wiederbelebter Djokovic

Ein wenig mehr Klarheit verspricht das Herrentennis schon, denn hier darf man wenigstens mit einem anhaltenden Gerangel von Andy Murray (neuerdings Sir Andy) und Novak Djokovic um Platz 1 und die Spitzenpokale rechnen. Gleich beim ersten gemeinsamen Turnier- und Finalauftritt in Doha lieferten die beiden Superstars eine Ahnung, mit welcher Klasse sie ihr Gigantenduell fortsetzen könnten. Der Serbe Djokovic wirkte dabei wiederbelebt nach der Motivations- und Sinnkrise des zweiten Halbjahres 2016, in dem er auch seinen Gipfelrang verlor. «Die Toptitel werden nur über dieses Duo vergeben», sagt Ex-Champion John McEnroe, «sie sind im Moment ein Stück entfernt vom Rest der Szene.»

Und damit auch von Roger Federer und Rafael Nadal, den alten Titanen der Centre Courts? Mühsam wird das Comeback sowohl für den Schweizer Ästheten wie den spanischen Matador. Aber ein letztes grosses Hurra in Paris (für Nadal) oder in Wimbledon (für Federer) ist auch keineswegs Utopie – in einem Jahr, das allgemein voll von Überraschungen sein könnte.

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