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Fussball

«Nebenschauplätze werden aufgebauscht»

FCB-Urgestein Benjamin Huggel (39) kennt Luzern, wo er die U 16 trainierte. Bevor die beiden Teams heute (13.45) aufeinandertreffen, spricht er über die Unruhe in Basel, Luzerns Abgänge und Toptalent Filip Ugrinic.
Für Benjamin Huggel ist es derzeit kein Thema, zum FCB zurückzukehren.
Bild: Bild: Andreas Meier/Freshfocus (Basel, 19. Oktober 2011)

Interview: Daniel Wyrsch

daniel.wyrsch@luzernerzeitung.ch

Benjamin Huggel*, die Zeitungen schreiben seit einer Woche über den bevorstehenden Führungswechsel in Basel. Lenkt das die FCB-Spieler ab für die Heimpartie gegen Luzern?

Ich glaube nicht, dass die Mannschaft sich von der sportlichen Arbeit auf dem Platz ablenken lässt. Wenn der Match beginnt, hat ein Spieler gar keine Zeit dafür. Ab diesem Moment ist ein Profi ganz auf Ball und Gegner fokussiert.

In Luzern haben wir in der Vergangenheit andere Erfahrungen gemacht. Unruhe im Umfeld wirkte sich oft auf die Leistungen aus. Trotzdem: Wird da zu viel hineininterpretiert von Medien und Fans?

Läuft es einer Mannschaft nicht, werden Nebenschauplätze aufgebauscht und müssen als Grund für Niederlagen herhalten. Im Fussball gehört es dazu, dass Themen grösser gemacht werden, als sie eigentlich sind.

Die letzten drei Spiele in Basel hat Luzern je 0:3 verloren. Hat der FCL derzeit überhaupt eine realistische Chance, beim FCB zu gewinnen?

Der FCB ist Favorit in diesem Spiel. Luzern ist allerdings nicht chancenlos. Basel hat in dieser Saison kaum einmal über die gesamten 90 Minuten ein Spiel dominiert. Es hat immer wieder Phasen gegeben, in denen der FCB vermeidbare Gegentore bekommen hat. Luzern hat insbesondere beim 4:1-Heimsieg gegen YB überzeugt. Auch in Lausanne wäre statt dem 4:4 ein Sieg möglich gewesen.

Als SRF-Experte mussten Sie in dieser Saison das Basler Aus in der Champions League kommentieren. Platz 4 in der Gruppe reichte auch nicht mehr für die Europa League. Es heisst immer wieder, der FCB habe unter Trainer Urs Fischer spielerisch keine Fortschritte gemacht. Stimmt das?

Zwei Dinge sind da zu berücksichtigen: Die Resultate auf nationaler Ebene sind sehr gut, da gibt es keinen Grund zur Kritik. Doch wenn man die Art und Weise, wie die Mannschaft auftritt, anschaut, sieht es etwas anders aus. Dass Basel die Spiele attraktiver gestalten und höher gewinnen könnte, stellen alle fest. Allerdings kann man nicht behaupten, dass sich die Mannschaft nicht weiterentwickelt hat.

Luzern spielt vor allem zu Hause oft spektakulär und steht auf Platz 4 ...

... das ist eine sehr gute Platzierung.

Im Cup ist das Team von Markus Babbel im Viertelfinal und trifft auf Aarau. Trotzdem haben die Abgänge von Jahmir Hyka und Jérôme Thiesson sowie vor allem die Aussortierungen von Tomislav Puljic und Sally Sarr für Unruhe gesorgt. Wie denken Sie darüber?

Wenn ein Spieler wie Thiesson mitten in der Meisterschaft den Klub wechselt, ist das ein schmerzhafter Abgang. Auch Hyka hatte gute Leistungen gezeigt, bevor er den FC Luzern verlassen hat. Bei Puljic sehe ich das anders: Er musste in Luzern schon einmal gehen – unter anderem aus Leistungsgründen. Die Scouting-Abteilung und die Transferkommission sind nun gefordert, guten Ersatz zu finden.

Als Alex Frei Sportchef beim FCL war, führten Sie ein Jahr lang die Luzerner U 16. Filip Ugrinic trainierte unter Ihnen. Was halten Sie vom 18-jährigen Mittelfeldmann, den hier alle bereits als den kommenden Millionen-Transfer-Spieler sehen?

Filip hat sehr viele Fähigkeiten, die für die Super League und für mehr reichen können. Er bringt technisch sehr viel mit, und er hat ein gutes Spielverständnis. Manchmal ist mir bei Ugrinic der junge Roger Federer in den Sinn gekommen, der ein so grosses technisches Repertoire besitzt, dass er hin und wieder den falschen Schlag machte. Aber natürlich hat Filip in der U 16 oft auch das entscheidende Tor geschossen und uns damit zu Siegen geführt.

Kann Ugrinic also eine erfolgreiche internationale Karriere machen?

Neben den zweifellos vorhandenen grossen fussballerischen Qualitäten braucht es dazu auch die Persönlichkeit. In Sachen Ausstrahlung muss Filip weiterwachsen. Vor zwei, drei Jahren war er noch ziemlich kindlich. Wie weit er jetzt genau ist, kann ich nicht abschätzen. Aber als zentraler Mittelfeldspieler muss er Leaderfähigkeiten haben, um die anderen Spieler mitzureissen. In diesem Punkt hat er wahrscheinlich schon noch ein Manko.

Wie sollte ein junger Führungsspieler denn sein?

Das beste Beispiel ist für mich Granit Xhaka, dessen Karrierebeginn ich in Basel hautnah miterleben konnte. Er hatte schon im gleichen Alter wie Filip die Mannschaft geführt, alle angetrieben und das Team so besser gemacht. Aber mir ist klar: Das ist ein Stück weit die Persönlichkeit eines Spielers. Einer ist so, der andere anders.

Im Zusammenhang mit der designierten neuen FCB-Klubführung um Bernhard Burgener werden Ihre langjährigen Basler Teamkollegen Marco Streller und Alex Frei als neuer Sportchef und neues Mitglied der Transferkommission genannt. Was halten Sie davon?

Dazu äussere ich mich erst, wenn der FCB diese Personalien bestätigt.

Aber Sie wissen sicher mehr?

Ich beteilige mich nicht an Spekula­tionen.

Sie sind neben Streller und Frei der dritte Basel-Rückkehrer aus der Bundesliga gewesen, der zu dieser grossartigen Mannschaft gehörte, die vor fünf Jahren in der Champions League Manchester United und den FC Bayern zu Hause besiegte. Wäre es für Sie verlockend, auch zum FCB zu wechseln?

Ich bin absolut happy mit meinen Tätigkeiten. Für mich ist es momentan kein Thema, zum FCB zurückzukehren.

Sie sind zuständig für die Administration eines Tenniscenters, arbeiten zudem als SRF-Fussballexperte und haben eine eigene Firma mit dem Namen «Beni Huggel bewegt», machen dort Trainings, Coaching und Referate. Erzählen Sie von Ihren Erlebnissen als Profi?

Die Leute können aus erster Hand erfahren, wie es im Spitzenfussball zu- und hergeht. Das Ganze garniere ich mit Anekdoten. Das ist meine Visitenkarte.

* Benjamin Huggel (39) war defensiver Mittelfeldspieler bei Basel und Eintracht Frankfurt. Mit dem FCB gewann er sieben Meistertitel und fünfmal den Cup. Er bestritt 41 Länderspiele (2 Tore) für die Schweiz, spielte an der EM 2004 und an der WM 2010.

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