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Deutschland

Bundesliga verliert zwei Zugpferde

Der 1. FC Köln und der Hamburger SV stehen kurz vor dem Abstieg. Fans machen sich darüber lustig, doch die Bundesliga lässt die Traditionsklubs nur ungern ziehen. Das hat viele gute Gründe.
Hat bald ausgedient: Die Uhr im Hamburger SV wird nächste Saison keine Bundesliga-Zeit mehr anzeigen können
Bild: KEYSTONE/EPA DPA/AXEL HEIMKEN

Im Tierpark der Fussball-Bundesliga gibt es künftig mehr Platz. Denn der dicke Dino aus Hamburg und der Geissbock aus Köln müssen wohl ausziehen aus dem First-Class-Gehege. Schon an diesem Sonntag könnte der Abstieg des 1. FC Köln und des Hamburger SV perfekt sein. Fehlen werden der Bundesliga der meckernde Ziegenbart und das tollpatschige 2,10-Meter-Urvieh aber allemal.

Die Maskottchen stehen für zwei Traditions-Mannschaften, die das Bild der Bundesliga über Jahrzehnte prägten. Die Hamburger waren seit Liga-Start 1963 immer dabei; die Kölner, ebenfalls ein Team der ersten Stunde, stehen vor dem sechsten Abstieg. Beide bringen es zusammen auf 102 Jahre Bundesliga, neun deutsche Meisterschaften und sieben Cupsiege.

Die Fans anderer Vereine reiben sich genüsslich die Hände. Vor allem die Norddeutschen kriegen ihr Fett weg. "Die Liga ist euch endlich los, der Dino kriegt den Gnadenstoss", skandierten Hoffenheim-Fans. In den Führungsetagen sieht man das anders. "Aus kaufmännischer Sicht ist das fatal", sagt Willi Lemke, einstiger Manager vom Hamburger Erzrivalen Werder Bremen. "Mit Sicherheit wird der Bundesliga etwas fehlen."

Der gebürtige Holsteiner mag den Zweitligisten Holstein Kiel, gibt aber zu bedenken: "Wenn anstelle des HSV jetzt Holstein Kiel in die Stadien kommen sollte, ist das ein gewaltiger Unterschied. Der Name HSV hat immer die Massen angezogen." Martin Kind sieht es ähnlich. "Schade um die Derbys", sagt der 73-jährige alte Präsident von Hannover 96. "Der norddeutsche Fussballmarkt lebt von Bremen, Hannover, Wolfsburg und natürlich vom HSV."

Der 1. Liga ginge Tradition verloren, aber auch Brisanz. Das ist in Köln nicht anders. "Das ist so eine Hassliebe", betont Max Eberl, seit 19 Jahren in Diensten des Kölner Erzrivalen Borussia Mönchengladbach. Und gesteht wehmütig: "Aber ich würde die Derbys schon gerne auch im nächsten Jahr spielen."

Hohe TV-Quoten

Auch die Fernsehmacher sehen die finsteren Wolken über Köln und Hamburg mit Unbehagen. Beide Mannschaften waren stets Quotenbringer. Der HSV hat die viertbeste Resonanz bei Übertragungen im Pay-TV-Sender Sky (650'000 im Schnitt), der 1. FC Köln ist die Nummer fünf (600'000) im Feld der 18 Bundesligisten. Nur Bayern, Dortmund und Schalke sind noch grössere Zugpferde.

Fazit: Die Traditionsklubs können noch so grausam spielen, die Fans wollen es sehen. Der drohende Abstieg der beiden sei, wie es bei Sky heisst, "auch für uns bedauerlich". Der Sender versucht sogar, Trost zu spenden: Die Zuschauer, heisst es, könnten "nur bei Sky noch immer alle Spiele ihres Vereins in der 2. Bundesliga live sehen". Was wohl ein Plädoyer sein soll für: Ihr Enttäuschten an Elbe und Rhein, kündigt eure Abos nicht!

Grosse Stadien für die 2. Liga

Die Bundesliga verliert wohl zwei grossartige Bühnen für Fussball und damit auch an Know-how und Annehmlichkeiten. Zwei der grössten und modernsten WM-Arenen von 2006 kommen der Eliteliga abhanden und werten die 2. Liga auf: das 51'000 Zuschauer fassende Rheinenergie-Stadion und das 57'000 Plätze bietende Volksparkstadion.

Nicht nur das: Es fehlen künftig zwei der vier deutschen Millionenstädte in der 1. Liga und damit zwei Schmelztiegel für Fussball-Begeisterung. Andererseits ist es auch ein Armutszeugnis für die Metropolen mit ihrem gewaltigen Wirtschafts- und Finanzumfeld, wenn ihre sportlichen Aushängeschilder untergehen.

Schliesslich verliert die Bundesliga wohl ein Unikum: die Lebensuhr des Dauer-Erstligisten HSV. Die Norddeutschen haben sämtliche 55 Elite-Jahre auf dem Buckel, wenn sie am Saisonende Abschied nehmen. Die Uhr wird dann abgestellt und nie wieder zum Leben erweckt. (sda/dpa)

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