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Ski alpin

Fabienne Suter sucht den Ski und die Form

Fabienne Suter (32) ist die Einzige im Kader vom Swiss-Ski, die bereits 2003 an der WM in St. Moritz dabei war. Vor einem Jahr galt die Schwyzerin als WM-Favoritin, jetzt sieht vieles anders aus.
Muss noch um ihren WM-Abfahrtsstartplatz kämpfen: die Schwyzerin Fabienne Suter.
Bild: Bild: Domenico Stinellis/Keystone (Cortina d’Ampezzo, 28. Januar 2017)
Bestreitet FIS-Rennen in Schruns statt die WM in St. Moritz: Priska Nufer (24).
Bild: Bild: Alessandro della Valle/Keystone

Richard Hegglin

 

Onkel Osi erkundigt sich wieder mal auf Facebook: «Bist Du auf der Ideallinie?» Seine Nichte relativiert: «Ausser in Garmisch war ich das nicht wirklich.» Dort ist Fabienne Suter Siebente geworden. Gleichwohl muss sie um ihren WM-Startplatz zittern und Ausscheidungen fahren.

Ende des letzten Winters strahlte sie in St. Moritz beim Weltcup-Finale als Abfahrtszweite vom Podest. Ex-Champion Peter Müller erhob sie zur moralischen Siegerin: «Bei gleichen Verhältnissen wie die vor ihr gestarteten Fahrerinnen hätte Fabienne mit anderthalb Sekunden Vorsprung gewonnen.» Suter galt als heisse WM-Mitfavoritin. Fünfmal belegte sie im vergangenen Winter den 2. Platz. Endlich sollte ihr das, was für Müller fast Routine war, ebenfalls gelingen – ein Medaillengewinn.

Bisher klebte ihr das Pech an den Ski. An Olympia 2010 war sie am nächsten dran, ehe ihr Elisabeth Görgl mit der letzten Fahrt Bronze wegschnappte. Was Suter mal zur Aussage verleitete: «Eigentlich sind mir Winter ohne WM und Olympische Spiele fast lieber.» Weil das Hoffen und Bangen um diese verflixte Medaille einem schon zusetzen kann. Erika Hess beendete unmittelbar vor Olympia eine gloriose Karriere und räumte hinterher ein: «Der persönlich auferlegte Druck, Olympiasiegerin zu werden, war mit ein Grund.»

Trauer um den kaputten Ski

Elf Monate nach der geglückten WM-Hauptprobe sieht bei Fabienne Suter ­einiges anders aus. Erst zwang sie ein Trainingssturz im Oktober in Saas-Fee mit einer Innenbandzerrung zu einer mehrwöchigen Pause. Dann warf sie eine verunglückte Abfahrt in Lake Louise, bei der Knie (Meniskus) und Ski kaputt ­gingen, nochmals zurück. Es folgten eine Operation und wieder ein paar Wochen Pause. Erstaunlich, der havarierte Ski macht ihr fast mehr zu schaffen als das verletzte Knie: «Das Knie haben die Ärzte super hingekriegt. Ich gab mir aus­reichend Zeit, den Körper wieder auf Vordermann zu bringen. Was mir fehlt, ist der Rennrhythmus.» Dem kaputten Ski trauert sie schwer nach: «Im Training hatte ich ihn nie verwendet, immer nur in den Rennen, bei unterschiedlichsten Verhältnissen. Mit ihm fuhr ich viermal aufs Podest, und ich war überzeugt, noch Reserven zu besitzen. Ich weiss gar nicht, ob ich mir einbildete, dass der Ski so schnell ist. Oder ob ich ihm soviel zutraute, dass ich selber schneller fuhr.» In Lake Louise erzählte sie nach dem enttäuschenden 41. Platz den Medienleuten nichts vom Malheur: «Sonst wäre der Eindruck entstanden, ich suche eine Ausrede.»

Jeder Skirennfahrer schwört auf seinen Ski, wenn er von ihm überzeugt ist. «Von 1984 bis 1988 bin ich immer die gleichen drei, vier Paar gefahren», erzählt Pirmin Zurbriggen. «Die schnellsten Ski fielen fast auseinander. Der Servicemann fixierte die Spitzen mit einem elastischen Teil und verleimte sie. Mit ihnen wurde ich Olympiasieger. Nachher waren sie kaputt.»

Fabienne Suter befindet sich also in bester Gesellschaft. Onkel Osi ist übrigens nicht irgendwer, sondern der ehemaliger Männer-Chef Osi Inglin, der in den USA eine Nachwuchsakademie leitet. Er war ihr ein wichtiger Begleiter, «als meine Karriere an einem seidenen Faden hing und ich nach einem Schienbeinbruch drei schwierige Jahre hatte.»

Das war nach der WM 2003 in St. Moritz, wo sie als 18-Jährige ihr Debüt gab und trotz Sturz gute Erinnerungen hat: «Es war ein Mega-Ereignis. Vorher fuhr ich erst drei Weltcuprennen und sonst im Europacup, wo fast niemand zuschaute. Jetzt standen zehntausend Menschen am Pistenrand. Sogar beim Einfahren musste ich Autogramme geben, obwohl mich niemand kannte. Es war ein Kulturschock – im positiven Sinn.»

Als Einzige ist sie von 2003 übrig geblieben und trotz durchzogener Saison zuversichtlich: «Wenn alles zusammenpasst, kann etwas Gutes herauskommen. Auf der Suche nach einem neuen Rennski sind wir auf gutem Weg. Ich gebe ­alles, um die Ideallinie zu finden.» Ganz im Sinne von Onkel Osi. Nach dem Kulturschock 2003 der Medaillenschock 2017? Eine verkorkste Vorbereitung hat auch ihre guten Seiten. Die geringen Erwartungen sind ihre Chance.

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