notifications
Kanton Zug

Richter verfügt: Abstimmungsplakate müssen sofort weg

Das Komitee für bezahlbaren Wohnraum entfernt am Freitag die Plakate, auf denen zwei Zuger Regierungsräte zu sehen sind. Trotzdem geben die Initianten sich in der Sache noch nicht geschlagen.
Ein Plakat des Komitees, das den Regierungsrat Heinz Tännler zeigt, muss bis Freitagmittag entfernt werden.
Bild: Stefan Kaiser (Zug, 18. April 2017)
Ein Plakat mit Volkswirtschaftsdirektor Matthias Michel am Zuger Bahnhof.
Bild: Stefan Kaiser (Zug, 18. April 2017)

Da sage noch einer, dass die juristischen Mühlen langsam mahlen. Innerhalb von etwas mehr als 24 Stunden hat der Kantonsrichter Philipp Sialm auf Begehren der beiden Regierungsräte Heinz Tännler und Matthias Michel entschieden: Die beiden im Bahnhof Zug aufgezogenen Plakate mit den Porträts der beiden Exekutivmitglieder im Zusammenhang mit der Initiative für bezahlbaren Wohnraum der beiden linken Jungparteien müssen bis am Freitag Nachmittag um 14 Uhr abgehängt werden. 

Das Verbot ergeht in der Form einer superprovisorischen Verfügung. Das heisst: Das Wesen dieser vorsorglichen Massnahme besteht darin, dass der Entscheid gefällt wurde, ohne die Gegenpartei anzuhören. Der Auftraggeber der Plakatkampagne, das Komitee für bezahlbaren Wohnraum, hat also zu den Argumenten der beiden Regierungsräte vorerst nicht Stellung nehmen können. Eine solche superprovisorische Massnahme ergeht, um eine glaubhaft dargelegte, unmittelbare Gefährdung eines Rechtsgutes abzuwenden. In diesem Falle die Persönlichkeitsrechte der beiden auf den Plakaten abgebildeten Regierungsräte.

Auch bei Google sind die Plakate zu löschen

Doch noch bevor in einem ordentlichen Verfahren über die Sache entschieden werden kann, müssen die Initianten, so ist im Entscheid weiter zu lesen, die in den Augen der Gesuchsteller «irreführenden Plakate» auch aus den sozialen Medien verschwinden lassen. Der Einzelrichter schreibt zu diesem Punkt, dass die Initianten «unverzüglich bei Google Schweiz zu veranlassen haben, dass die Berichterstattung über die Gesuchsteller in Verbindung mit der Kampagne ‹Initiative für bezahlbaren Wohnraum› aus den Datenspeichern von Google vollständig gelöscht wird». Bei Missachtung dieser Aufforderung droht den Initianten eine Busse von bis zu 10 000 Franken. 

Man wolle mit dieser Reaktion keine Diskussion verhindern, wie die Verantwortlichen der Kampagne der Regierung vorgeworfen haben. «Wir scheuen keine Debatte. Aber es geht hier um eine Grundsatzfrage», erklärt Heinz Tännler, einer der abgebildeten Regierungsräte. Mit den Plakaten werde auf den Mann gespielt. Zudem hätten auch Personen des öffentlichen Interesses ein Anrecht darauf, dass das Persönlichkeitsrecht gewahrt werde. «Unserer Meinung nach wird dieses hier klar verletzt. Ob das so ist oder nicht, wollten wir abgeklärt haben.» Ihm und Matthias Michel sei bewusst, dass man als Politiker ein dickeres Fell brauche. «Aber man muss sich nicht alles gefallen lassen. Die rote Linie wurde überschritten. Darum sind wir aktiv geworden.» Ob Tännler und Michel privat oder der Gesamtregierungsrat für die Kosten für das Verfahren aufkommt – es musste ein Kostenvorschuss von 3000 Franken seitens der klagenden Partei geleistet werden –, ist nicht klar. «Das werden wir im Gesamtregierungsrat diskutieren», sagt Tännler.

Komitee will gegen Entscheid vorgehen

Das Komitee, das hinter der Kampagne steht, wird der Forderung aus der Verfügung nachkommen. «Wir werden die Plakate abhängen», sagt Co-Präsident Yannick Ringger. Vorläufig wurden die Gesichter der Regierungsräte mit Klebern verdeckt, auf denen «Zensur» zu lesen ist. Dass man die Plakate entferne, heisse nicht, dass man den Regierungsräten Recht gebe. «Uns fehlen schlicht die finanziellen Mittel, um die angedrohte Busse von 10 000 Franken zu bezahlen», erklärt der Co-Präsident. Man werde die Verfügung nicht auf sich sitzen lassen. «Wir finden es absolut inakzeptabel, dass in einem demokratischen Staat so gegen die Meinungsäusserungsfreiheit vorgegangen wird.» Das Komitee will, dass die Richter entscheiden, ob die Kampagne persönlichkeitsverletzend ist oder nicht. Die für das Gerichtsverfahren notwendigen finanziellen Mittel werde man auftreiben. Ringger: «Wir sind zuversichtlich, dass wir am Ende Recht bekommen. Und wenn das der Fall ist, dann werden wir die Plakate im ganzen Kanton aufhängen – auch wenn die Abstimmung schon vorbei ist.»
 

Marco Morosoli und Samantha Taylor

redaktion@zugerzeitung.ch