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Bruder Klaus

Politische Pilgerfahrt zu Bruder Klaus

In Flüeli-Ranft ist am Samstag des Heiligen und Staatsmanns Niklaus von Flüe gedacht worden. Christoph Blocher erhielt viel Beifall von den rund 2500 Besuchern, die gekommen waren. Auf Bischof Vitus Huonder hingegen reagierte das Publikum verhalten.

Urs-Ueli Schorno

ursueli.schorno@luzernerzeitung.ch

Am Bahnhof Sachseln warten viele Menschen auf den Shuttlebus, der sie zur alternativen Gedenkfeier zum 600-Jahr-Jubiläum von Bruder Klaus ins Flüeli-Ranft bringt. Dazu hat das Komitee «Die Schweiz mit Bruder Klaus» um Präsidentin Monika Rüegger (SVP Obwalden) geladen. Eine Frau, um die 50 Jahre alt, spricht eine Sicherheitskraft an: «Gibt es eine Eucharistiefeier mit dem Bischof?» Der Herr in der gelben Weste weiss: «Nein, es gibt keine Eucharistiefeier an der Veranstaltung, nur Reden.» Die Frau, in der Hand ein Mandala, vielleicht eine Radzeichnung von Bruder Klaus, schaut etwas verdutzt, steigt dann aber doch in den Bus. Sie erwartete wohl, dass, wo Bischof Huonder auftritt, auch eine Messe stattfinden muss. Schon bei der zweiten Haltestelle, beim Gasthaus Engel im Sachsler Dorf, wird für ein Ja geworben – für ein nationales Verhüllungsverbot. Spätestens jetzt ist klar: Es geht heute in Flüeli-Ranft nicht nur um Religion, sondern auch um Politik.

Bus für Bus kommt in Flüeli an. Die Gäste werden mit Alphorn, Büchel und Schwyzerörgeli empfangen. Die Töne hallen ob der Schlucht, in die sich Bruder Klaus 1467 zurückzog, um seine Visionen zu verstehen. Schon zur Mittagszeit ist das Festzelt bei der Mehrzweckhalle gefüllt. Draussen vor der Videoleinwand werden weiter Bänke aufgestellt. Nach ersten Angaben sind rund 2500 Besucher gekommen – Redner und alt Bundesrat Christoph Blocher werden schliesslich «gegen 3000» begrüssen, wenn er als Letzter ans Mikrofon tritt. Zum ersten Mal wird es laut, als das AUNS-Orchester – es ist die Hausmusik der «Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz» – alle vier Strophen der Nationalhymne anstimmt. Manch einer muss zwar spätestens ab der dritten Strophe auf dem Teleprompter spicken, doch der Inbrunst tut dies keinen Abbruch. Kräftiger Applaus folgt.

Der Bundesrat verleiht dem Anlass nationalen Charakter

Weshalb man sich am Ort des Bruder Klaus trifft, führt der Nidwaldner Nationalrat Peter Keller (SVP) vor Augen: «weil der Bundesrat keine nationale Gedenkfeier wollte», was eine Schande sei. In einer unterhaltsamen, mit Seitenhieben gespickten, kurzen Rede vermittelt der Historiker einen Überblick über das Leben von Bruder Klaus und natürlich auch seinen Rat zum Stanser Verkommnis 1481, der einen Bürgerkrieg unter Eidgenossen verhinderte. Keller kann es sich nicht verkneifen, das kauzige und bisweilen wunderliche Wesen Niklaus von Flües mit der Aktualität zu verknüpfen: «Wahrscheinlich wäre er heute ein Fall für die Kesb.» Dafür erhält er von den Anwesenden viel Beifall.

Dass dieser Anlass bei aller Nähe zur SVP doch einen offiziellen Anstrich bekommt, ist dem Auftritt von Verteidigungsminister Guy Parmelin zu verdanken. Auch wenn er ebenfalls der SVP angehört: Bundesrat bleibt Bundesrat. In seiner auf Französisch gehaltenen Grussbotschaft beweist er erstaunliche Kenntnisse über den Nationalheiligen, der als einzig reale Persönlichkeit mit einer Statue im Bundeshaus vertreten ist. «Sicher, ein Teil der Existenz von Flües ist heute idealisiert. Aber ein Teil der jungen Generation meint vielleicht sogar, es handle sich nur um eine Legende.» Deshalb sei es um so wichtiger, der historischen, für die Schweiz zentralen Figur des Niklaus von Flüe zu gedenken.

Bischof lässt Zeitzeugen zu Wort kommen

Als erster Hauptredner gibt sich der Churer Bischof Vitus Huonder die Ehre. Auf ein Erscheinen am offiziellen Staatsakt im Gedenken an Niklaus von Flüe, der Ende April auf dem Sarner Landenberg stattfand, hatte der Bischof noch verzichtet. Als Redner war er dort nämlich unerwünscht – das Verhältnis zum Bistum Chur ist in Ob- und Nidwalden traditionell nicht ganz einfach. Umso mehr hat er nun zu sagen. Eine «kurze Würdigung» sollte es werden – doch es wird eine wortreiche runde Stunde. Huonder hat einen interessanten Ansatz gewählt und lässt Zeitzeugen sprechen, um den «Gottesmann» Bruder Klaus zu porträtieren. Da ist etwa Sohn Hans, der im Kirchenbuch zitiert wird, als 40-jähriger Landammann: Soweit er sich erinnere, habe sein Vater «immer die Welt geflohen und ein einsiedlerisches Wesen gehabt». Beeindruckt von der Frömmigkeit seines Vaters schildert der Erwachsene Hans von Flüe, am Abend habe der Vater sich jeweils «mit dem Hausvolk» zur Ruhe gelegt. Aber jede Nacht, in welcher der Sohn erwacht sei, habe er gehört, «dass sein Vater aufgestanden war und in der Stube beim Ofen betete». Huonder fragt: «Erträgt die heutige Gesellschaft den Ernst dieses Mannes?» Die Frage geht in der schwindenden Aufmerksamkeit des Publikums fast unter. Während sich die Rede in die Länge zieht, macht sich Ungeduld breit. Bemerkungen aus dem Publikum lassen den Schluss zu, dass es eher der Verdienst von Christoph Blocher ist, dass die meisten bis zum Schluss bleiben.

Der alt Bundesrat treibt die Einfachheit, die Bruder Klaus zugeschrieben wird, in seiner Rede auf die Spitze: Es genügt ihm das überlieferte Wort vom Zaun («Macht den Zun nicht zuo wiit), um eine moderne Führungslehre abzuleiten. Das «Management-Coaching» des Bruder Klaus, wie der ehemalige Magistrat mit ironischem Unterton auf Englisch sagt. «Nach dem reifen Kern von Niklaus von Flües Botschaft muss nicht lange gesucht werden: Du sollst dir immer dessen bewusst sein, dass deine Kraft, deine Mittel, aber auch deine Weisheit beschränkt sind.» Blocher setzt Spitzen gegen die Parlamentarier und die EU-Befürworter, die diesem Credo nicht folgen.

Ob all der Worte geht das Anliegen der Obwaldner Regierungsrätin Maya Büchi (FDP) fast etwas unter, den offiziellen Trägerverein «Mehr Ranft» beliebt zu machen. «Wir haben bei der Planung bewusst auf Grossveranstaltungen im Ranft verzichtet», sagt sie zu Beginn der Veranstaltung. Und sie fügt an: «Wir wollen Bruder Klaus in die Schweiz hinaustragen.» Nun ist aber die Schweiz doch in den Ranft gekommen. Sie tat es wegen Bruder Klaus – und Christoph Blocher.

 

Künstlerische Freiheiten

Theater/Film – Anlässlich der Bruder-Klaus-Gedenkfeier sich hat der bekannten Dallenwiler Theaterregisseur Klaus Odermatt an Bruder Klaus gewagt. Mit einer Handvoll Laiendarstellern wurden Szenen aus dem Leben und Wirken von Bruder Klaus als Film inszeniert. An der Feier wurde das Werk, zwischen den Reden, erstmals dem Publikum gezeigt.

«Ich war völlig frei bei der Realisierung des Films», erzählte Regisseur Odermatt im Juli gegenüber unserer Zeitung. Der 58-jährige Dallenwiler betrat dabei teils Neuland. Zwar wurden seine bisherigen Theater- und Freilichtspielproduktionen oft aufgezeichnet und auf Film festgehalten. «Aber ein rein filmisches Werk habe ich bisher nicht realisiert», so Odermatt.

Die Wurzeln des Theater sieht man in den Einstellungen, in denen sich die Kamera oft nicht bewegt, auch an. Der Film wurde vom Publikum positiv aufgenommen. In den Details zeigen sich aber auch die Tücken im Bemühen, möglichst authentisch zu sein: Dass Bruder Klaus Nidwaldner Dialekt spricht, mag in den meisten Kantonen durchgehen. Dass seine Frau Dorothea aber einen anderen Dialekt hat, einen Luzernischen nämlich, fällt dann doch auf – im Film wohl mehr als im Theater.

Einen komplett anderen Ansatz verfolgt das «Visionsgedenkspiel», das am Samstag ebenfalls – Zufall oder nicht – in Flüeli-Ranft Premiere feierte. Eine ausführliche Kritik lesen Sie in der «Luzerner Zeitung». Das Theater unter der Regie von Geri Dillier will viel mehr der Fantasie des Publikums überlassen, als ein «konkretes Gesicht» von Bruder Klaus zu vermitteln. Sehr unterschiedliche Ansätze werden also auch in der künstlerischen Interpretation von Niklaus von Flüe verfolgt. (uus)

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