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Giswiler Sozialvorsteherin hört nach 10 Jahren auf

Als sie vor zwei Jahren mit dem Gemeinderat nach Lugano reiste, wusste Doris Ming gleich: «Hier will ich leben.» Bevor sie ins Tessin zieht, blickt sie noch einmal auf ihre Amtszeit zurück.
Doris Ming hört nach 10 Jahren als Sozialvorsteherin von Giswil auf und packt hier Legos für ihre Enkel. (Bild: Marion Wannemacher, 14. Juni 2018)

Marion Wannemacher

Im Esszimmer steht der Tisch von der Terrasse, die meisten Möbel sind schon in der neuen Wohnung im Tessin. Auf dem Stubentisch liegen Hunderte von Lego-Steinen. Fast wirken sie wie ein Sinnbild für Doris Mings Leben. Einzelteile finden sich zu Neuem zusammen. «Wenn ich zwischendurch mal eine Auszeit brauche, setze ich mich hin und suche die Teile aus den einzelnen Bauanleitungen für meine Grosskinder zusammen», erzählt sie. Die Termine in der Agenda häufen sich. Plötzlich werde vielen bewusst, dass sie nicht mehr lange in Giswil sei.

Ende Juni ist Doris Mings letzter Termin. Zehn Jahre lang war sie Sozialvorsteherin, sieben Jahre stellvertretende Gemeindepräsidentin. «Als ich damals angefragt wurde, wusste ich nicht ‹warum nicht›, auch nicht ‹warum›. Ich bin neugierig und liebe Herausforderungen, also nahm ich an», erzählt die 66-Jährige. Mit einem Kindesschutzfall, den anfänglich die Vorgängerin betreut hatte, sei sie ins kalte Wasser geworfen worden. «Das ging mir unter die Haut», erinnert sie sich und räumt ein: «Bevor ich Gemeinderätin wurde, dachte ich, Giswil sei eine heile Welt.» Ihr neues Amt belehrte sie eines Besseren.

«Bevor ich Gemeinderätin wurde, dachte ich, Giswil sei eine heile Welt.»

Viel Respekt vor Menschen und ihrem Schicksal

«Im allerersten Jahr als Gemeinderätin ist mir plötzlich der Gedanke gekommen, ich hätte den Fehler meines Lebens begangen», berichtet sie offen. Einige Stellenprozent weniger auf dem Touristenbüro in Giswil verhalfen bereits zu einer neuen Sicht. Geliebt habe sie ihr Departement immer. «Ich habe dadurch einen Riesenrespekt vor Menschen in ihren Lebenssituationen bekommen.» Ein grosses Anliegen sei ihr immer gewesen, dass Menschen mit hohem Pflegegrad in guter Qualität im Pflegeheim leben könnten und pflegende Angehörige entsprechend Wertschätzung erhielten.

Für Erleichterung habe die Einführung der Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) im Jahr 2013 bei ihr gesorgt. «Es war doch eine schwere Verantwortung, es geht um Menschen. Man war Vormundschaftsbehörde, hatte aber im Grunde die Ausbildung dazu nicht», erzählt Doris Ming. «Es gab Fälle, die raubten mir den Schlaf.» Darüber berichten möchte sie nicht, auch nicht in anonymisierter Form.

Eine Sozialvorsteherin muss schwierige Entscheidungen treffen können. «Aus meinem christlichen Glauben heraus ist mir ein riesiges Anliegen, Ethik hochzuhalten.» Die Sozialvorsteherin, hatte die Federführung beim Alterskonzept Giswil, «dem ersten im Kanton», wie sie betont. Teil ihrer Arbeit war auch die Jugend. Allein zehn Jahre lang kämpften die beteiligten Verantwortlichen fürs Jugendlokal. «Wir haben immer wieder einen Weg gefunden», freut sich Doris Ming. Wie einvernehmlich der Gemeinderat in Giswil zusammenarbeitet, wurde aus ihrer Verabschiedung an der letzten Gemeindeversammlung deutlich. Doris Ming freute sich vor allem über das Lob von Gemeindepräsident Beat von Wyl gefreut. «Du bist in den zehn Jahren immer Doris Ming geblieben», hatte er zu ihr gesagt.

Mit ihren 1,50 Metern ist Doris Ming ein Energiebündel und ein sehr spontaner Mensch. Als eine Freundin sie nach Neapel einlud, um mit ihr Deutsch zu reden, blieb sie gleich drei Jahre, so sehr faszinierte sie Italien. Der Liebe wegen kam die gebürtige Baslerin dann aus Italien nach Obwalden. Sie bekam drei Kinder mit ihrem Mann, von dem sie heute geschieden ist. Der Wiedereinstieg als Reisebürokauffrau sei steil gewesen, erzählt sie. Prägend waren die Familienferien in der Maremma. «Zu weit weg von den Grosskindern», befand Doris Ming.

Verliebt in Lugano auf den ersten Blick

Als sie vor zwei Jahren mit dem Gemeinderat nach Lugano reiste, wusste sie: «Hier will ich leben.» Für immer ist dieser Plan nicht. «Vielleicht komme ich in fünf Jahren zurück. Und dann mache ich den Neuzuzüger-Apéro in Giswil mit.» Den hat sie bis vor kurzem selbst geleitet.

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