notifications
Betrugsprozess

Nidwalder Versicherungsbetrüger handelte aus reiner Geldgier

Aus Geldgier zockte ein vermeintlich arbeitsunfähiger Mann IV-Stellen und Versicherungen ab. Das Kantonsgericht schreibt in seinem nun vorliegenden Urteil von «erheblicher krimineller Energie» – dafür gibt’s fünf Jahre Gefängnis.

Oliver Mattmann

oliver.mattmann@nidwaldnerzeitung.ch

In einem der wohl spektakulärsten Betrugsfälle in der jüngeren Geschichte des Kantons hat das Gericht im Sommer einen heute 69-jährigen Nidwaldner zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Nebst gewerbsmässigem Betrug, der sich über viele Jahre erstreckte, wurden ihm auch Urkundenfälschung, Unterlassung der Buchführung und Veruntreuung zur Last gelegt. Das Kantonsgericht folgte beim Strafmass dem Antrag der Staatsanwaltschaft.

Seine 58-jährige Frau, die der vermeintliche Invalide als Geschäftsführerin einsetzte, um seine Machenschaften zu verschleiern, erhielt wegen Gehilfenschaft zum gewerbsmässigen Betrug 18 Monate aufgebrummt wie von der Staatsanwaltschaft gefordert. Das Gericht sprach die Freiheitsstrafe bedingt aus, mit einer Probezeit von zwei Jahren. «Sie hat sich seit ihrer Verhaftung 2012 wohl verhalten. Zudem hat sie ihre Straftaten nur im Zusammenhang mit dem Wirken ihres Mannes begangen», heisst es im begründeten Urteil, das in diesen Tagen publiziert worden ist. Die Gefahr, dass sie rückfällig werde, sei sehr gering. Die Verteidiger hatten je auf Freispruch plädiert. Ob die zwei ihre Urteile weiterziehen, ist offen.

Er hätte die Leistungen gar nicht nötig gehabt

Seinen Lauf nahm der Fall 1989, als der EDV-Spezialist sich bei einem Verkehrsunfall Verletzungen an der Halswirbelsäule zuzog. Die IV-Stelle zahlte ihm in der Folge wegen praktisch vollumfänglicher Arbeitsunfähigkeit eine IV-Rente von 100 Prozent aus. Dennoch arbeitete der Mann bei verschiedenen IT-Firmen weiter, gründete später ein eigenes Unternehmen und setzte seine Partnerin als «Strohfrau» ein. Gegenüber seinem Arzt, der IV und Versicherungen spielte er den kranken Mann und verschwieg sein hohes Einkommen. Allein zwischen 2002 und 2008 verdiente er rund 2,1 Millionen Franken. Nebenbei bezog er während zehn Jahren 366 000 Franken an IV-Renten, von Swiss Life erhielt er im fast gleichen Zeitraum 933 000 Franken an Leistungen zugesprochen. «Die ertrogenen Einkünfte trugen dazu bei, ein Leben im Luxus zu finanzieren, wozu unter anderem schöne Wohnungen, teure Uhren und Schmuckstücke sowie mehrere Fahrzeuge der gehobenen Mittelklasse gehörten», heisst es im Urteil.

Das Kantonsgericht hält fest, dass der Mann eine «erhebliche kriminelle Energie» an den Tag legte, um die Versicherer zu täuschen – selbst wenn er im einen Fall der Schweizerischen Mobiliar freigesprochen wurde. Obwohl er überhaupt nicht darauf angewiesen gewesen sei, habe er Rentenleistungen erschlichen, was den Tatbestand noch verwerflicher mache. Er habe sich ausgeklügelter Machenschaften bedient, indem er seine Frau als Geschäftsführerin seiner Firma auftreten und die Bankkonten über sie laufen liess. Er habe ferner veranlasst, dass keine Geschäftsbücher geführt, keine Revisionen vorgenommen und keine Steuererklärungen ausgefüllt werden. So gelang es ihm lange, die Vermögenslage unter Verschluss zu halten. Auch privat reichte er bis auf eine Ausnahme, die indes auf falschen Zahlen basierte, in dieser Zeit nie eine Steuererklärung ein. Zudem meldete er seinen Wohnsitzwechsel nicht und liess sich tatsachenwidrig ins Ausland abmelden. Der Mann war übrigens bereits im Jahr 2000 wegen gewerbsmässigen Betrugs und versuchten Versicherungsbetrugs schuldig gesprochen worden.

Beschuldigter ist heute mittellos und verschuldet

Eigenartig mutet an, dass sich der Beschuldigte anfänglich aller Vergehen, welche die Untersuchung aufdecken würde, schuldig bekannte, später indes sämtliche Vorwürfe bestritt. Im Fall der Veruntreuung hatte er das Vertrauen seiner Schwägerin missbraucht, in dem er in einem Erbschaftsverfahren ihr zustehendes Geld – über 24 000 Franken – auf sein Konto scheffelte. Mit diesem beglich er Rechnungen für die Wohnungseinrichtung, Sanitärkosten oder Steuern. «Obwohl der veruntreute Beitrag nicht sehr hoch erscheint, stellt er für die Frau, die schwer krank ist und eine IV-Rente bezieht, eine erhebliche Härte dar», so das Gericht.

Die Verurteilten müssen die Verfahrenskosten tragen – der Mann 33 000 Franken, die Frau knapp 7000 Franken. Auch wenn der Beschuldigte heute auf dem Existenzminimum lebt und verschuldet ist, können die Verfahrens- wie auch die beträchtlichen Kosten für die amtliche Verteidigung gedeckt werden – dank Verwertung der Schmuckstücke und Uhren mit einem Schätzwert von rund 120 000 Franken, die beschlagnahmt worden sind.