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Türkei - Deutschland

Journalist Yücel in Deutschland gelandet

Welt"-Korrespondent Deniz Yücel ist nach über einem Jahr aus der Untersuchungshaft in der Türkei entlassen worden. Zugleich wurde eine Anklage gegen den deutsch-türkischen Journalisten zugelassen. Dennoch durfte er gleichentags die Türkei verlassen.
Endlich frei: Der Journalist Yücel wurde zwar angeklagt, wurde jedoch aus der Untersuchungshaft entlassen. Am Abend reiste er im Flugzeug aus der Türkei aus.
Bild: KEYSTONE/AP DHA-Depo Photos/CAN EROK

Yücel sei frei, schrieb die "Welt" am Freitag auf Twitter. Yücels Anwalt Veysel Ok twitterte ein Bild des Journalisten, auf dem er seine Ehefrau Dilek Mayatürk Yücel umarmt. "Endlich!!! Endlich!!! Endlich!!! Deniz ist frei!", hatte sie kurz zuvor bei Twitter geschrieben.

Wie die "Welt" unter Berufung auf Yücels Anwalt Veysel Ok weiter meldete, wurde keine Ausreisesperre verhängt. Der Angeklagte verliess noch am Abend in einem Flugzeug das Land. Er landete wenige Stunden später in Berlin.

Bis 18 Jahre Gefängnis gefordert

Yücel hatte sich am 14. Februar 2017 freiwillig der Justiz gestellt. Kurz darauf war er wegen Terrorvorwürfen in Untersuchungshaft genommen worden - bis zum Freitag ohne Anklageschrift. Anlass für die Festnahme war ein Interview mit einem hochrangigen Mitglied der kurdischen Arbeiterpartei PKK, die die Türkei als Terrororganisation einstuft.

Die staatliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu meldete nun, das 32. Strafgericht in Istanbul habe die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft angenommen. Diese fordere darin wegen "Propaganda für eine Terrororganisation" und "Aufstachelung des Volkes zu Hass und Feindseligkeit" zwischen 4 und 18 Jahre Haft.

Zugleich habe das Gericht die Freilassung Yücels aus der Untersuchungshaft angeordnet, meldete Anadolu weiter. Das ist kein unübliches Verfahren in der Türkei: Gerichte können zu Beginn eines Verfahrens oder auch davor die Freilassung von Verdächtigen aus der Untersuchungshaft verfügen.

Diplomatische Drähte liefen heiss

Der Gerichtsentscheid folgte nur einen Tag nach dem Besuch des türkischen Ministerpräsidenten Binali Yildirim in Berlin. Zudem berichteten Medien, habe Aussenminister Gabriel im Februar zweimal geheim den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan getroffen. Auch Altbundeskanzler Gerhard Schröder habe sich in der Türkei für den Fall eingesetzt.

Beide Seiten wiesen jedoch einen "Deal" im Fall zurück - wie etwa die Lieferung von Rüstungsgütern im Tausch für die Freilassung Yücels. Gabriel sagte am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz, Gegenleistungen Deutschlands habe es nicht gegeben.

Auch aus türkischen Behördenkreisen hiess es, es habe "keinerlei politische Einmischung gegeben". Yücel selbst hatte einen "Deal" für seine Freilassung stets abgelehnt.

Verhältnis zerrüttet

Die deutsch-türkischen Beziehungen sind seit Monaten schwer belastet. Gründe dafür waren unter anderem das Verbot von Wahlkampfauftritten türkischer Politiker in Deutschland und eine implizite Warnung der deutschen Regierung für Reisen in die Türkei. Die Türkei sieht sich ihrerseits in ihrer Kurden- und Syrienpolitik von ihren Nato-Partnern im Stich gelassen.

Ob die Freilassung Yücels zu einem besseren Verhältnis zwischen den Ländern führt, bleibt offen. Der türkische Ministerpräsident Yildirim sagte, die Beziehungen zu Deutschland seien auf dem Wege der Besserung.

Aussenminister Gabriel rief dazu auf, den Moment zu nutzen, "alle Gesprächsformate" wieder in Gang zu setzen, um bei grundsätzlichen Fragen zwischen der Türkei, Europa und Deutschland voranzukommen. "Wir haben eine Vertrauensgrundlage geschaffen, in der das möglich ist. Wir sollten jetzt nicht nachlassen."

Lebenslang für sechs Journalisten

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hatte hingegen erst am Donnerstag bekräftigt, die von der Türkei gewünschte Erweiterung der Zollunion mit der EU könne es nur geben, wenn die Türkei Fortschritte bei der Rechtsstaatlichkeit mache. Auch Visa-Freiheit bei EU-Reisen türkischer Bürger lehnte sie ab.

Merkel erinnerte aber an die Menschen, die in der Türkei weiter aus politischen Gründen inhaftiert sind. Unter ihnen sind auch viele Journalisten.

Ihre harte Linie gegen Journalisten behält die türkische Justiz weiterhin bei: So erhielten am selben Tag, an dem Yücel freikam, sechs Reporter eine lebenslange Freiheitsstrafe. (sda/reu/dpa/afp)