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Muotathal

Werner Schelbert: «Ich bin ein wilder Hund»

Werner Schelbert (63) ist seit bald 24 Jahren als Fotograf bei der Zuger Zeitung angestellt. Der Aufstieg als Journalist verdankt der Muotathaler Country-Fan dem Absturz mit einer Seilschaft.
Erst arbeitete Werner Schelbert als Schreiner auf dem Bau. Später griff er zur Kamera.
Bild: Stefan Kaiser (Zug, 21. Dezember 2016)

Werner Schelbert, als ich einen Einheimischen nach Ihrer Adresse fragte, wollte er wissen, welchen Werner Schelbert ich suche. Unter welchem Spitznamen kennt man Sie in Muotathal?

Mein Grossvater war Wirt des «Alpenrösli». Mein Vater hiess Alois, so bin ich Alpenröslers Wisels Werni. Oder der Alpenrösler.

Ich sagte, dass ich zum Fotografen will. Weiss jeder in der Gegend, wer Sie sind?

Man kennt mich. Ich bin vermutlich der einzige Fotograf im Tal, und früher war ich auch im Lokalradio zu hören. In den 80er-Jahren moderierte ich sogar meine Country-Sendung.

Wie kommt man zu einer eigenen Radiosendung?

Ich war Präsident des Vereins Radio Schwyz, aus dem das Radio Central hervorging. Ein Initiant des Lokalradios wusste, dass ich Country-Fan bin. Er rief mich an und sagte, ich solle mit meiner Musik eine Sendung machen.

Ihnen wurde eine Musiksendung aufs Auge gedrückt?

Etwa so. Wir bauten eine Baubaracke aus, machten diese schalldicht und nahmen mit einem Revox-Tonband Sendungen auf. Kein Vergleich mit heutiger Technik und dem Know-how. Aber wir erreichten die Leute.

Strebten Sie nie eine Karriere als Radiomoderator an?

Nicht direkt. Zwar interessierten mich Radio, Fernsehen und Medien. Fürs Radio war meine Stimme aber nicht geeignet. Trotzdem war ich für Radio Schwyz als Reporter unterwegs. Die Reportage von Franz Heinzers Sieg bei der Ski-Weltmeisterschaft 1991 war der Hit.

Klingt spannend. Was machten Sie für eine Geschichte?

Mit dem Fanclub reiste ich nach Saalbach-Hinterglemm. Ich war mittendrin. Vor dem Rennen fragte ich einige, was sie von ihrem Helden erwarteten. Dieselben Leute liess ich nach Heinzers Sieg wieder ins Mikrofon sprechen. Eine Frau versprach live am Radio, mit dem Rauchen aufzuhören, falls Heinzer gewinnen würde.

Und dann?

Nach dem Rennen verschenkte sie tatsächlich ihre Zigaretten. Heinzer begleitete ich an diesem Tag auch eine Weile. Am selben Abend fuhren wir nach Hause und schnitten die Aufnahme. Anderntags sendeten wir diese.

Gibt es die Aufnahme noch?

Sicher. Die habe ich auf Kassette. Schelbert holt im Nebenzimmer einen Kassettenrekorder, spult einige Male vor und zurück, bis er die Sendung gefunden hat (siehe Hinweis).

Grosses Nostalgie-Radio! Sie waren fleissig. Für die Zeitung schrieben Sie ja auch schon?

Sowieso. Für die «Schwyzer Zeitung» machte ich von Heinzers WM-Sieg eine ganze Seite. Ich begleitete auch Urs Kälin nach Sölden. Skifahren war ein Highlight für uns Berichterstatter.

Heute schreiben Sie nicht mehr, sondern sind exklusiv als Fotograf für die «Zuger Zeitung» im Einsatz. Vermissen Sie die Momente auf den Skipisten?

Nein, überhaupt nicht. Ich meine, ich darf als Fotograf den schönsten Beruf der Welt ausüben. Ich versuche immer, das beste Bild in die Redaktion zu bringen. Das ist spannend, wenngleich dafür oft Beharrlichkeit nötig ist.

Da gibt es sicher einige Beispiele.

Jede Menge. Eines der schönsten war, als der damalige deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder auf einem offiziellen Besuch in Zug war. Zusammen mit einem Reporter fuhr ich an den Ort des Geschehens. Während Schröder den Reporter abwimmelte, wartete ich auf den passenden Moment und ging auf den Deutschen zu. Ich fragte den Mann wie beiläufig, ob er mir kurz für ein Bild zur Verfügung stehen würde. Er tat mir den Gefallen und klopfte mir danach auf die Schulter. Er sagte: «Sie machen Ihren Job gut.»

Weil Sie den richtigen Moment erwischten?

Vielleicht auch, weil ich ihn unaufgeregt angesprochen habe.

So toll der Job ist, Sie erlebten auch schlimme Dinge.

Als Fotograf in Zug habe ich auch das Attentat im Kantonsrat miterlebt. Zwar war ich zum Tatzeitpunkt nicht anwesend, aber was ich im Nachhinein am Tatort erlebte, prägte sich tief ein.

Unvorstellbar. Wie kann man in einem solchen Moment überhaupt funktionieren?

Ich konnte die Geschehnisse weitgehend ausblenden, indem ich mich auf die Arbeit fokussierte.

Wurden Sie auch schon als «Paparazzo» davongejagt?

Nicht direkt verjagt. Aber dass ich unerwünscht bin, bekam ich auch schon zu spüren. Bei einem Adventskonzert der Opernsängerin Barbara Hendricks in der Guthirt-Kirche in Zug schlich ich mich während eines Soloauftritts der Sängerin nach vorne. Als ich abdrückte, unterbrach sie ihren Gesang, alle Blicke waren auf mich gerichtet. Das war peinlich.

Sie arbeiteten als junger Mann als Schreiner auf dem Bau und wurden erst relativ spät als Quereinsteiger Journalist. Warum?

Eines meiner Hobbys ist das Bergsteigen. Bei einer Tour stürzten wir als Fünferseilschaft ab. Dabei verletzte ich meinen Fuss ziemlich schwer, sodass eine Vollzeittätigkeit auf dem Bau nachher nicht mehr möglich war. Der Unfall war für mich – zumindest in dieser Hinsicht – ein Glücksfall.

Ein guter Handwerker sind Sie noch immer. Ihr Haus bauten Sie eigenhändig um, nicht?

Klar kann ich mit Werkzeug umgehen. Ich stelle gerne Dinge her, die Hand und Fuss haben. Aber ich beschränke mich auf jene Arbeiten, die ich beherrsche und die meine Gesundheit zulassen.

Haben Sie sich als Fotograf ausbilden lassen?

Alles, was ich kann, habe ich mir selber beigebracht.

Sie setzen sich nächstes Jahr zur Ruhe. Was macht der Alpenrösler als Rentner?

Da habe ich grosse Pläne. Zusammen mit meiner Frau Luzia reise ich um die Welt. Ausserdem fahre ich im Sommer jeweils mit Kollegen auf dem Motorrad in den Süden. Wir übernachten immer in Zelten. Ich bin ein wilder Hund und liebe die Freiheit.

Roger Rüegger

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